Buddha lehrte nicht Buddhismus. Er lehrte den Dharma, das Gesetz. Er
lehrte nicht die Satzungen eines Glaubens oder eines Dogmas oder einer
Lehre, die blind akzeptiert werden müssen. Durch seine eigene
Erleuchtungserfahrung zeigte er für jeden von uns den Weg, damit wir
die Wahrheit in uns selbst finden können. Während der fünfundvierzig
Jahre, die er lehrte, gebrauchte er viele verschiedene Worte und
Vorstellungen, um auf die Wahrheit hinzuweisen. Die Worte oder
Vorstellungen sind nicht die Wahrheit selbst; sie deuten lediglich auf
eine bestimmte Art der Erfahrung hin. Zu Buddhas Zeiten verwechselten
die Menschen, durch die Kraft seiner Weisheit und Erfahrenheit, im
allgemeinen nicht die Worte mit der Erfahrung. Sie hörten, was der
Buddha zu sagen hatte, blickten nach innen und erfuhren die Wahrheit in
ihrem eigenen Geist und Körper.
Im Laufe der Zeit begannen die Menschen immer weniger zu üben und
verwechselten die Worte mit der Erfahrung. Verschiedene Richtungen
entstanden, die über Ansichten diskutierten. Es ist so, als ob man bei
dem Versuch, das Licht einer Vollmondnacht zu erklären, auf den Mond
zeigt. Den Finger statt des Mondes zu betrachten bedeutet, das Zeigen
nicht zu verstehen. Wir sollten nicht den Finger mit dem Mond
verwechseln und nicht die Worte, die auf die Wahrheit deuten, für die
Erfahrung selber halten.
Als der Dharma nach China kam, entwickelte er sich in eine bestimmte
Richtung durch eine Verbindung der Lehren des Buddhismus und des
Taoismus. Einer derjenigen, der die Entwicklung und Richtung der Ch'an
(später Zen)-Schule am meisten beeinflußte, war der sechste chinesische
Patriarch, Wei Lang. Obwohl man ihm nachsagt, daß er des Lesens und
Schreibens nicht kundig gewesen sei, war sein Geist so geläutert und
durchdringend, daß er, nachdem er eine Zeile des Diamant-Sutra gehört
hatte, erleuchtet war. Oft lasen ihm die Menschen Schriften vor, damit
er ihnen die eigentliche Bedeutung erklären konnte.
Er gab eine sehr klare Beschreibung davon, was die verschiedenen
buddhistischen Lehren oder Fahrzeuge wirklich bedeuten.
Buddha predigte die Lehre von den 'Drei Fahrzeugen' und ebenso von
dem 'Höchsten Fahrzeug'. Beim Versuch dies zu verstehen, solltest du
deinen eigenen Geist untersuchen und ganz unabhängig von Dingen und
Phänomenen handeln. Der Unterschied dieser vier Fahrzeuge existiert
nicht im Dharma selbst, sondern bloß in der Leute Geist. Zu sehen, zu
hören und das Sutra aufsagen, ist das Kleine Fahrzeug. Den Dharma
kennen und dessen Sinn verstehen, ist das Mittlere Fahrzeug. Den Dharma
in die Praxis umsetzen, ist das Große Fahrzeug. Alle Dharmas vollauf zu
verstehen, sie vollkommen in sich aufgenommen zu haben, von allen
Anhaftungen frei zu sein und sich im Besitz von nichts zu befinden, ist
das Höchste Fahrzeug.
In allen Traditionen, ob es in Indien, in Burma, in China, in Japan, in
Tibet oder Amerika ist, überall gibt es jene, die an den Worten haften,
die das Sutra aufsagen. Das ist das Kleine Fahrzeug. Wenn wir die Worte
Taten werden lassen und den Dharma erfahren, dann gehen wir durch die
Fahrzeuge hindurch, bis wir an nichts mehr anhaften, nichts mehr
besitzen und den Dharma voll und ganz leben, von Augenblick zu
Augenblick. Das ist das Höchste Fahrzeug des Dharma, die Vollkommenheit
der Übung. Dies ist in keiner Lehre enthalten, es ist in der
Entwicklung des Verstehens von jedem Wesen enthalten.
Als sich historisch verschiedene Ausdrucksformen des Dharma
entwickelten, haben große Lehrer viele gute Methoden benutzt, um die
Menschen anzuleiten, in ihren eigenen Geist hineinzuschauen, den Dharma
in sich selbst zu erfahren. Einige der alten, bekannten Worte, die als
Vorstellungen eine große Fessel geworden waren, wurden auf neue Art
verwendet, um den Menschen zu ermöglichen, die Realität des Augenblicks
zu erkennen.
Zum Beispiel hilft das Verstehen der verschiedenartigen Verwendung des
Wortes "Buddha" sehr bei dem Begreifen der einzelnen Traditionen, die
das Wort unterschiedlich verwenden. Erstens bezieht sich Buddha auf die
historische Person, Siddhartha Gotama, die voll erleuchtet wurde. Aber
auch der Geist frei von Bef1eckungen ist damit gemeint, Buddha-Geist,
Buddha-Natur. Der Geist, der frei ist von Gier, Haß und Unwissenheit.
Es gab bis dreihundert Jahre nach dem Tode Buddhas keine Buddha-
Statuen. Die Übung der Menschen war das Bild Buddhas, es bestand keine
Notwendigkeit, es zu veräußerlichen. Aber nach einiger Zeit, nachdem
die Übung verloren ging, begannen die Menschen den Buddha außerhalb
ihres eigenen Geistes zu stellen, zurück in Zeit und Raum. Nachdem das
Konzept veräußerlicht war und Bilder gemacht wurden, begannen große
Lehrer, die andere Bedeutung Buddhas wieder zu unterstreichen. Es gibt
ein Wort: "Wenn du einen Buddha siehst, töte ihn." Ein sehr
erschreckender Ausspruch für Menschen, die vor einem Bild Weihrauch
verbrennen und beten. Wenn Sie im Geiste eine Vorstellung von einem
Buddha außerhalb von Ihnen selbst haben, töten Sie diese, lassen Sie
sie los. Es gab einen intensiven Dialog darüber, wie man die eigene
Buddha-Natur verwirklicht, während eines Lebens Buddha wird und in den
eigenen Buddha-Geist blickt; es kam neues Leben in die Übungen.
Gotama Buddha erinnerte die Menschen wiederholt daran, daß die
Erfahrung der Wahrheit aus dem eigenen Geist kommt. Es gibt die
Geschichte über einen Mönch, der sehr eingenommen war von der
physischen Gegenwart des Buddha, über den man sagt, daß er sowohl die
körperliche als auch die geistige Vollkommenheit darstellte, daß er bei
jeder Gelegenheit sich dicht neben ihn setzte und seine physischen
Formen betrachtete. Nach einiger Zeit wies Buddha ihn zurecht. Er sagte
dem Mönch, er könne diese Körperform hundert Jahre lang betrachten und
werde doch nicht den Buddha sehen. Wer den Dharma sieht, sieht auch den
Buddha. Der Buddha ist innen. Es ist die Erfahrung der Wahrheit. Wir
müssen immer im gegenwärtigen Moment sein, in der Erfahrung des Jetzt.
Wieder Wei Lang:
Wir sollten innerhalb der Geistesessenz nach Buddhaschaft trachten und
sollten nicht außerhalb unser danach suchen. Derjenige, der von seiner
Geistesessenz nichts weiß, ist ein gewöhnlicher Mensch. Der, welcher in
seiner Geistesessenz erleuchtet ist, ist ein Buddha.
Nicht Buddha als historische Person, sondem Buddha als Freiheit von
Befleckungen, als Reinheit des Geistes. Das ist der Buddha, zu dem wir
alle werden müssen.
Eine andere Vorstellung, die oft mißverstanden wird aufgrund
unterschiedlicher Traditionen, ist die Vorstellung des Bodhisattva. Das
Wort "Bodhisattva" hat zwei verschiedene Bedeutungen. In einem ganz
bestimmten Sinne bezieht es sich auf ein Wesen, das gelobt hat, die
höchste Erleuchtung zu erringen, wie es Siddhartha Gotama in seiner
langen Entwicklung zur Vollkommenheit tat. Es gibt eine zweite
Bedeutung von Bodhisattva, und diese bezieht sich auf alle Kräfte der
Reinheit im Geiste. In der Mahayana- und der tibetischen Tradition gibt
es ein ganzes Pantheon von Bodhisattvas, Sinnbilder der Kräfte in
unserem Geiste. Manjusri ist der Bodhisattva der Weisheit.
Avalokiteshvara ist der Bodhisattva des Mitgefühls: Erscheinungen der
Kräfte der Reinheit im Geiste. In jedem Augenblick der Weisheit werden
wir zu Manjusri, in jedem Augenblick des Mitfühlens werden wir
Avalokiteshvara. Wenn wir Bodhisattva so begreifen, erweitert sich die
Bedeutung der Bodhisattva-Gelübde.
In dem einen Sinne ist es das Gelübde, mit dem man sich der höchsten
Erleuchtung eines Buddha verschreibt. Über Siddhartha Gotama wird
gesagt, daß er während einer seiner Leben in der Gegenwart eines
anderen Buddha die Möglichkeit hatte, erleuchtet zu werden; aber er war
so inspiriert durch die Gegenwart des Buddha und so durchdrungen von
Mitgefühl für die Leiden aller Wesen, daß er gelobte, seine eigene
Erleuchtung hinauszuschieben, um alle Eigenschaften der Buddhaschaft
zur Vollkommenheit zu bringen. Obwohl die Geistesfreiheit eines
erleuchteten Wesens und eines Buddhas dieselbe ist, ist die Kraft und
Tiefe der Weisheit und des Mitgefühl eines Buddhas größer, weil er eine
unmeßbar längere Evolution hinter sich hat. Eine andere Bedeutung des
Bodhisattva-Gelübdes ist sehr klar von Wei Lang beschrieben worden:
Wir geloben, unzählige lebende Wesen zu befreien. Was bedeutet dies?
Dies will nicht heißen, daß ich, Wei Lang, sie nun befreien werde. Und
wer sind diese lebenden Wesen in unserem Geiste? Sie sind der befleckte
Geist, der trügerische Geist, der üble Geist und alle diese Arten von
Geisteszuständen - alle diese sind lebende Wesen. Sie alle haben sich
durch ihre eigene Geistesessenz zu befreien.
Das Gelübde, alle lebenden Wesen zu befreien, kann als ein Erlöser
aller Wesen in uns verstanden werden; wir befreien den zornigen Geist
und den unwissenden Geist und den gierigen Geist und den lustvollen
Geist. Alle diese Zustände sind Wesen, die aufsteigen und vergehen. Und
wir geloben, alle diese Wesen zu erlösen und diesen geistigen Vorgang
von allen Befleckungen und Unreinheiten zu befreien.
Ein anderer traditioneller Unterschied der verschiedenen Richtungen
hängt mit der Vorstellung von Nirvana und Samsara zusammen. Eine Schule
ist der Meinung, daß Nirvana von dem geistig-körperlichen Vorgang
getrennt ist; und eine andere hält Nirvana und Samsara für eins. Wie
vertragen sich diese beiden sich scheinbar widersprechenden Darlegungen
miteinander? Es gibt einen Weg, dies zu verstehen: Stellen Sie sich
einen Hurrikan vor, einen sehr heftigen Wind, der sich mit hoher
Geschwindigkeit dreht. Im Zentrum dieses Sturmes mit hoher Windstärke
gibt es eine Zone der Ruhe und Stille, das Auge des Hurrikans. Aus
einer Perspektive ist das Auge des Hurrikans sehr verschieden von den
Winden. Alles ist still, ruhig, völlig anders als der Wirbelwind, der
sich um das Auge dreht. Aus einer anderen Perspektive können wir sehen,
daß beide, der Sturm und das Auge, Teile einer Einheit sind und als ein
Ganzes beschrieben werden können. In demselben Sinne sind Samsara und
Nirvana aus einer Perspektive sehr verschieden voneinander. Eines ist
der fortwährende Vorgang der Veränderung und das andere ist Stille und
Frieden. Aus einer anderen Perspektive bilden sie zusammen eine Einheit
und sind in diesem Sinne eins. In der Erfahrung des Dharma werden die
Worte klar. Solange wir noch auf der theoretischen Vorstellungsebene
bleiben, scheinen die Worte verschiedener Richtungen auf verschiedene
Wahrheiten zu deuten. In Wirklichkeit sind sie verschiedene Finger, die
alle auf denselben Mond zeigen.
Es gibt ein kraftvolles Aufzeigen der Wahrheit in einer Beschreibung
des Geistes in einem hohen tibetischen, tantrischen Text. Versuchen Sie
die Worte zu erfahren, anstatt darüber nachzudenken:
In der Tat gibt es keine Zweiheit; es ist irrig, von einer Vielheit
auszugehen. Ehe diese Zweiheit nicht überwunden und Eins-Sein
verwirklicht wird, kann die Erleuchtung nicht erreicht werden. Die
Gesamtheit von Samsara und Nirvana, die beide nicht voneinander zu
trennen sind, machen unseren Geist aus. Der Mensch wandert in Samsara
umher, weil er sich an weltlichen Vorstellungen orientiert; es steht
ihm frei, diese anzunehmen oder zurückzuweisen. Daher kann nur eine
Dharma-Praxis, die sich von jeglicher Anhaftung losgesagt hat, den
ganzen Gehalt dieser Lehren erfassen.
Wenn es auch Einen Geist gibt, so hat er doch keinerlei Existenz.
Wenn man nach der eigentlichen Natur seines Geistes sucht, so ist er
zwar unsichtbar, aber doch ziemlich faßbar. In seinem eigentlichen
Zustand ist der Geist unverhüllt und makellos; er ist nicht aus irgend
etwas gewirkt als aus Leerheit, er ist klar, mit nichts angefüllt, ohne
Zweiheit, durchsichtig, zeitlos, mit nichts vermischt, von nichts
gehindert, ohne Färbung; er ist nicht als ein getrenntes Ding
wahrzunehmen, sondern als Einheit aller Dinge, jedoch nicht aus diesen
zusammengesetzt; er hat nur einen Geschmack und übersteigt jegliche
Unterscheidung.
Dieser Eine Geist entstammt tatsächlich der Leerheit, und es fehlt ihm
jegliche Grundlage. Der eigene Geist ist ebenso weit und leer wie der
Himmel. Schaue tief in deinen eigenen Geist, damit du erkennen kannst,
ob sich dies so verhält oder nicht. Objektive Erscheinungsformen, die
nichts anderes sind als eine Bewegung aus ständiger Veränderung, so wie
die Luft am Himmel, haben nicht die Kraft, dich zu fesseln und an sich
zu ziehen. Schaue tief in deinen eigenen Geist, damit du erkennen
kannst, ob sich dies so verhält oder nicht. Alle Erscheinungsformen
sind nichts anderes als deine eigenen Vorstellungen; sie entstehen aus
sich heraus im Geiste und lassen sich mit Spiegelbildern vergleichen.
Schaue tief in deinen eigenen Geist, damit du erkennen kannst, ob sich
dies so verhält oder nicht. Da alle äußeren Erscheinungsformen aus sich
heraus aufsteigen und von ihrem Wesen her so freifließend wie die
Wolken am Himmel sind, vergehen sie wieder an ihrem jeweiligen Orte.
Schaue tief in deinen eigenen Geist, damit du erkennen kannst, ob sich
dies so verhält oder nicht.
Da sich auch der Dharma nur in deinem Geiste befindet, ist nur dies ein
Ort für die Meditation. Da sich auch der Dharma nur in deinem Geiste
befindet, gibt es keinen anderen Platz der Wahrheit für die Einhaltung
eines Gelübdes. Da sich auch der Dharma nur in deinem Geiste befindet,
gibt es nirgendwo sonst einen Dharma, mit dessen Hilfe Befreiung
erlangt werden kann.
Der eigne Geist ist durchscheinend. Da er keine Eigenschaften hat, läßt
er sich mit einem wolkenlosen Himmel vergleichen. Jener Geisteszustand,
der jegliche Zweiheit überschreitet, bringt die Befreiung. Wieder und
wieder, schaue in deinen eigenen Geist.
Wenn der Dharma wahrhaftig verstanden wird, wird es klar, daß die
Essenz aller Übungen, die zur Freiheit führen, dieselbe ist; das heißt,
einen Geist zu entwickeln, der an überhaupt nichts mehr haftet. Keine
Vorlieben. Keine Unterscheidungen. Kein Werten. Kein Anhaften. Kein
Verurteilen. Die Übung ist dieselbe, ob sie nun durch die Worte des
sechsten Patriarchen in China oder den indischen Siddhartha Gotama
ausgedrückt wird.
Tilopa, ein großer indischer Weiser und der Gründer einer der
tibetischen Linien, lehrte seinem Schüler Naropa dieselbe
Ausgewogenheit des Geistes, die hier Mahamudra genannt wird.
Mahamudra liegt jenseits aller Worte und Symbole. Dir aber, Naropa, der
du ernsthaft und voller Hingabe bist, kann dies gesagt werden: Die
Leerheit bedarf keiner Stütze, Mahamudra ruht auf nichts. Du zerbrichst
die Fesseln und erreichst auf diese Weise die Befreiung, ohne daß du
eine Anstrengung unternehmen mußt - bleibe einfach ganz gelöst und
natürlich. Wenn du deinen Geist mit dem Geist beobachtest, so hebst du
jegliche Unterscheidung auf und erreichst Buddhaschaft.
Weder die Wolken, die am Himmel wandern, noch die unterscheidenden
Gedanken, die durch den Geist ziehen, haben Wurzeln oder ein Zuhause.
Wenn du einmal den wahren Geist erkennst, so hört jegliche
Unterscheidung auf.
Es bilden sich Formen und Farben im Raum, aber damit ist der Raum noch
nicht schwarz oder weiß gefärbt. Alle Dinge entstehen aus dem wahren
Geist heraus. Weder Tugend noch Laster können diesen Geist beflecken.
Unternimm nichts mit dem Körper, sondern entspanne dich einfach. Halte
Deinen Mund verschlossen und verharre im Schweigen. Mache deinen Geist
leer und denke an nichts. Laß deinen Körper zur Ruhe kommen - einem
hohlen Bambusrohr vergleichbar. Wenn du nichts mehr weggibst oder
aufnimmst, kannst du auch deinen Geist zur Ruhe bringen. Mahamudra ist
wie der Geist, der an nichts mehr anhaftet. Wenn du auf diese Weise
praktizierst, wirst du die Buddhaschaft erlangen, wenn die rechte Zeit
dafür gekommen ist.
Derjenige, welcher das Begehren aufgibt und nicht an diesem oder jenem
anhaftet, erkennt die wahre Bedeutung dessen, was in den Schriften
steht.
Zuerst spürt ein Yogi, daß sein Geist wie ein Wasserfall herabstürzt.
Im Mittellauf fließt er, wie der Ganges, langsam und sanft dahin. Am
Ende ist er wie ein großer, unermeßlicher Ozean, wo das Licht von Sohn
und Mutter zu einem verschmilzt.
"Derjenige, welcher das Begehren aufgibt und nicht an diesem oder jenem
anhaftet, wird die wahre Bedeutung dessen erfahren, was in den
Schriften steht." - "Entwickle einen Geist, der an nichts anhaftet."
Das Aufgeben des Ergreifens, das Aufgeben des Anhaftens: der Weg zur
Freiheit.
Die Tradition des Dharma, die in Japan aus der Linie von Wei Lang und
anderen Patriarchen entstand, brachte sehr schöne Schriften als
Ausdruck des Weges hervor, manchmal sehr humorvoll. Eine Geschichte
illustriert dieselbe Wahrheit vom Nichthaften und Nichtanklammern, in
einer dem Zen sehr gemäßen Weise:
Ein Universitätsprofessor besuchte einmal einen japanischen Meister und
stellte viele Fragen über Zen. Der Meister reichte Tee, füllte die
Tasse des Gastes - und fuhr dann fort einzuschenken. Der Professor
beobachtete das Überfließen und bemerkte, daß die Tasse voll und kein
Platz mehr für Tee da sei. "Genau wie diese Tasse", antwortete der
Meister, "sind Sie so voll von Ihren Ansichten und Meinungen, daß da
kein Platz für neues Begreifen ist. Um die Wahrheit zu erfahren, müssen
Sie erst Ihre Tasse leeren."
Wir können niemals die Wahrheit erfahren, solange noch ein Anhaften an
Meinungen und Ansichten da ist. "Suche nicht die Wahrheit. Höre nur
auf, Meinungen zu haben." Wenn wir das Anhaften an unsere vorgefaßten
Meinungen aufgeben, wird sich in der Stille des Geistes der ganze
Dharma offenbaren. Jeder von uns muß seine Tasse leeren, seinen Geist
von Anhaften an Ansichten und Glauben frei machen.
Es ist so viel Schönheit und Klarheit in den unterschiedlichen Arten,
wie sich der Dharma darstellt. Wir haben Glück, daß wir nicht in einer
Kultur aufgewachsen sind, die durch eine bestimmte Weise bedingt ist,
soweit wir offen genug bleiben, sie alle zu hören und zu würdigen. Sie
weisen alle auf dieselbe Wahrheit hin, auf die Erfahrung des Dharma in
uns.
Der Buddha gab den Rat: "Glaube nicht einfach an etwas, weil es dir
gesagt worden ist oder weil es herkömmlich ist oder weil du selbst es
dir so vorstellst. Glaube nicht nur aus Respekt vor deinem Lehrer an
das, was er dir sagt. Welchen Weg du auch immer gehst, wenn du ihn
gründlich untersuchst und feststellst, daß er zum Wohle und Glück aller
Wesen führt, dann folge ihm wie der Mond dem Weg der Sterne."
Machen Sie von der Ebene der Unterscheidungen und Neigungen
Gebrauch, wenn es angebracht ist, aber bedenken Sie dabei, daß es die
Vorstellungsebene des Geistes ist, nicht die Ebene der absoluten
Wahrheit. Benutzen Sie den Gedankenvorgang, ohne daran zu haften. Wie
es in der Bhagavad-Gita erklärt wird, handeln Sie ohne Anhaften an die
Früchte der Taten. Auf die gleiche Art kann unser Geist frei vom
Anhangen an Unterscheidungen und Neigungen sein, und doch können wir
sie einsetzen, wenn sie im Umgang mit der Welt notwendig sind.
Alles wird möglich, wenn man es mit Bewußtheit macht, mit
Klarheit, ohne Anhaften, ohne Ergreifen ; die ganze Welt, alle 10 000
Freuden und 10 000 Leiden sind da, um erfahren zu werden. Die Tätigkeit
selbst ist kein Maßstab für Tiefe oder Oberflächlichkeit. Der Maßstab
ist der Zustand des Geistes bei der Tätigkeit. Ein Tai Chi-Meister kann
in völliger Übereinstimmung mit dem Dharma sein, bei völliger
Gestilltheit des Geistes. Eine andere Person kann genau dieselben
Übungen mit Verspanntheit und Streben machen. Es gibt so viele schöne
Beispiele über alle Arten von Tätigkeiten, die als Ausdruck der
Vollkommenheit des Geistes dienen. Viele Dinge werden möglich, wenn der
Geist frei ist.
Es gibt eine Vorstelllung, daß man auf dem Wege erst durch
Hinayana und dann Mahayana und dann Vajrayana hindurchgeht, von einem
Fahrzeug zum anderen, um bei jedem andere Erfahrungen zu machen.
In dem Sinne sind Hinayana, Mahayana und
Vajrayapa Stufen auf einem Wege zur Erkenntnis. Welchen Weg Sie auch
gehen, diese Stufen werden da sein. Ob Sie einer burmesischen,
japanischen oder tibetischen Richtung folgen, in jeder werden Sie durch
Hinayana-, Mahayana- und Vajrayanastufen gehen müssen. Verwirrung tritt
auf, weil diese Begriffe sich auch auf die verschiedenen historischen
Traditionen beziehen. Die Leute verwechseln die Stufen auf dem Wege mit
den verschiedenen historischen und kulturellen Ausdrucksformen des
Dharma. Aus diesem Grunde sind diese Vorstellungen vielleicht nicht
besonders hilfreich. Es gibt viele Stufen auf dem Wege. Sie müssen
erfahren werden. Sie mit Namen zu belegen, ist nur äußerlich und bringt
möglichenweise Mißverständnisse. Es gibt nur das, was ist, die
Entfaltung des Dharma in uns selbst. Wir gehen durch sehr viele
Erfahrungen hindurch. Die Erfahrung, nicht die Vorstellungen und Namen
darüber, ist von größter Wichtigkeit.
Es gibt verschiedene Traditionen der Meditation in verschiedenen
Ländern.
Achtsamkeit kann mit jedem Objekt entwickelt werden. sie
können Achtsamkeit auf Gedanken, auf den Körper, auf äußerliche
Objekte, auf innere Objekte, auf sie alle oder auf eine Kombination
davon entwickeln. Die verschiedenen Techniken und Methoden sind
verschiedene Arten der Entwicklung der Achtsamkeit. Die Bewußtheit ist
die Essenz aller Übungen, das Gleichgewicht des Geistes, aus dem die
Erleuchtung kommt. Alle Dinge sind vergänglich, und Einsicht kann mit
jedwedem Objekt entwickelt werden. Sie können die Erleuchtung mitten in
einem Gedanken, mitten in einem Schmerz, während Sie essen oder gehen,
zu jeder Zeit erfahren, da sie aus dem vollkommenen Gleichgewicht des
Geistes kommt und nicht dadurch, daß Sie sich an ein bestimmtes Objekt
halten.
Manche Lehrer sprechen von den Gefahren der psychischen Kräfte
bei geistigen Übungen. Was bedeutet das?
Die Macht des Geistes kann entwickelt werden. Sie ist nicht
Weisheit. Macht und Weisheit sind zwei sehr verschiedene Dinge. Es kann
gefährlich sein, diese Kräfte zu entwickeln, bevor man eine hohe Stufe
der Erleuchtung erreicht hat, weil sie unter Umständen nur die
Vorstellung des Selbst, des Ego verstärken und manipulativ verwendet
werden können. Macht kann sehr heilsam eingesetzt werden, wenn man eine
feste Grundlage in Sittlichkeit und Verstehen hat. Aber es ist nicht
notwendig, diese Kräfte zu entwickeln. Es gibt viele erleuchtete Wesen
ohne psychische Kräfte, und es gibt viele Wesen mit diesen Kräften, die
nicht erleuchtet sind. Bei manchen Menschen vereinen sich Weisheit und
Macht.
Im Dhammapada spricht Buddha oft von dem Zustand der Erreichung
der Arahatschaft.
Dies bezieht sich auf die völlige Vernichtung von Gier, Haß
und Unwissenheit im Geiste, die durch die Nirvana-Erfahrung geschieht.
Die erste Erfahrung des Nirvana, der erste Schimmer der absoluten
Wahrheit entfernt einige der Fesseln aus dem Geiste; einige bleiben.
Und während der Pfad weiter beschritten wird, werden weitere Fesseln
aufgelöst. Ein Arahat ist ein Wesen, aus dessen Geist alle Fesseln
verschwunden sind. Auf die gleiche Weise bedeutet die Idee der
Buddhaschaft in diesem Leben Freiheit von Gier, Haß und Unwissenheit.
In der Erfahrung der Wahrheit wird die Einheit des Dharma verstanden.
Entwickeln Sie einen Geist, der an nichts anhaftet. Dies ist die Essenz
aller Lehren. Es wird ganz einfach, wenn man übt.
Was braucht man, um tiefe Erfahrungen der Einsicht zu
entwickeln? Muß es etwas Besonderes sein?
Nur eins ist notwendig: sich dessen bewußt zu sein, was im
Augenblick geschieht. Wenn wir irgendeine Vorstellung davon haben, was
geschehen sollte, dann erfahren wir nicht voll und ganz den Augenblick.
Die Übung ist, achtsam auf all die wechselnden Zustände des Geistes und
Körpers zu sein, ohne anzuhaften, ohne zu werten und ohne sich mit
ihnen zu identifizieren. Das ist der Weg vom Anfang bis zum Ende. Dann
entfaltet er sich von selbst; es gibt nichts, das wir tun müssen, damit
etwas geschieht. Die Leute glauben nicht, wie einfach es ist. Oft ist
das Bedürfnis da, es zu komplizieren und zu glauben, daß wir einige
phantastische Geisteszustände erleben müßten. Wir sollten uns eher sehr
aufmerksam still verhalten und das Fließen werden.
Alle Pfade drehen sich darum, daß man die illusorische Natur
des Selbst erkennt, der Selbstsucht ein Ende setzt. Der natürliche und
organische Ausdruck des Dharma ist Liebe und Mitgefühl, anderen zu
helfen und für sie zu sorgen. Dies hat nichts mit dem Fahrzeug oder dem
Pfad oder dem Gelübde zu tun; es ist der natürliche Ausdruck der
Weisheit. Wenn wir das Anhaften an die Vorstellung aufgeben, daß
dies "ich" bin und das "der Andere" ist, beginnen wir die Einheit aller
Wesen zu erfahren, und aus diesem Verständnis kommen Liebe und Dienen.
Größeres Fahrzeug, kleineres Fahrzeug.
Unwichtig!
Alle Fahrzeuge werden abgeschleppt
Auf Kosten des Eigentümers.
lehrte nicht die Satzungen eines Glaubens oder eines Dogmas oder einer
Lehre, die blind akzeptiert werden müssen. Durch seine eigene
Erleuchtungserfahrung zeigte er für jeden von uns den Weg, damit wir
die Wahrheit in uns selbst finden können. Während der fünfundvierzig
Jahre, die er lehrte, gebrauchte er viele verschiedene Worte und
Vorstellungen, um auf die Wahrheit hinzuweisen. Die Worte oder
Vorstellungen sind nicht die Wahrheit selbst; sie deuten lediglich auf
eine bestimmte Art der Erfahrung hin. Zu Buddhas Zeiten verwechselten
die Menschen, durch die Kraft seiner Weisheit und Erfahrenheit, im
allgemeinen nicht die Worte mit der Erfahrung. Sie hörten, was der
Buddha zu sagen hatte, blickten nach innen und erfuhren die Wahrheit in
ihrem eigenen Geist und Körper.
Im Laufe der Zeit begannen die Menschen immer weniger zu üben und
verwechselten die Worte mit der Erfahrung. Verschiedene Richtungen
entstanden, die über Ansichten diskutierten. Es ist so, als ob man bei
dem Versuch, das Licht einer Vollmondnacht zu erklären, auf den Mond
zeigt. Den Finger statt des Mondes zu betrachten bedeutet, das Zeigen
nicht zu verstehen. Wir sollten nicht den Finger mit dem Mond
verwechseln und nicht die Worte, die auf die Wahrheit deuten, für die
Erfahrung selber halten.
Als der Dharma nach China kam, entwickelte er sich in eine bestimmte
Richtung durch eine Verbindung der Lehren des Buddhismus und des
Taoismus. Einer derjenigen, der die Entwicklung und Richtung der Ch'an
(später Zen)-Schule am meisten beeinflußte, war der sechste chinesische
Patriarch, Wei Lang. Obwohl man ihm nachsagt, daß er des Lesens und
Schreibens nicht kundig gewesen sei, war sein Geist so geläutert und
durchdringend, daß er, nachdem er eine Zeile des Diamant-Sutra gehört
hatte, erleuchtet war. Oft lasen ihm die Menschen Schriften vor, damit
er ihnen die eigentliche Bedeutung erklären konnte.
Er gab eine sehr klare Beschreibung davon, was die verschiedenen
buddhistischen Lehren oder Fahrzeuge wirklich bedeuten.
Buddha predigte die Lehre von den 'Drei Fahrzeugen' und ebenso von
dem 'Höchsten Fahrzeug'. Beim Versuch dies zu verstehen, solltest du
deinen eigenen Geist untersuchen und ganz unabhängig von Dingen und
Phänomenen handeln. Der Unterschied dieser vier Fahrzeuge existiert
nicht im Dharma selbst, sondern bloß in der Leute Geist. Zu sehen, zu
hören und das Sutra aufsagen, ist das Kleine Fahrzeug. Den Dharma
kennen und dessen Sinn verstehen, ist das Mittlere Fahrzeug. Den Dharma
in die Praxis umsetzen, ist das Große Fahrzeug. Alle Dharmas vollauf zu
verstehen, sie vollkommen in sich aufgenommen zu haben, von allen
Anhaftungen frei zu sein und sich im Besitz von nichts zu befinden, ist
das Höchste Fahrzeug.
In allen Traditionen, ob es in Indien, in Burma, in China, in Japan, in
Tibet oder Amerika ist, überall gibt es jene, die an den Worten haften,
die das Sutra aufsagen. Das ist das Kleine Fahrzeug. Wenn wir die Worte
Taten werden lassen und den Dharma erfahren, dann gehen wir durch die
Fahrzeuge hindurch, bis wir an nichts mehr anhaften, nichts mehr
besitzen und den Dharma voll und ganz leben, von Augenblick zu
Augenblick. Das ist das Höchste Fahrzeug des Dharma, die Vollkommenheit
der Übung. Dies ist in keiner Lehre enthalten, es ist in der
Entwicklung des Verstehens von jedem Wesen enthalten.
Als sich historisch verschiedene Ausdrucksformen des Dharma
entwickelten, haben große Lehrer viele gute Methoden benutzt, um die
Menschen anzuleiten, in ihren eigenen Geist hineinzuschauen, den Dharma
in sich selbst zu erfahren. Einige der alten, bekannten Worte, die als
Vorstellungen eine große Fessel geworden waren, wurden auf neue Art
verwendet, um den Menschen zu ermöglichen, die Realität des Augenblicks
zu erkennen.
Zum Beispiel hilft das Verstehen der verschiedenartigen Verwendung des
Wortes "Buddha" sehr bei dem Begreifen der einzelnen Traditionen, die
das Wort unterschiedlich verwenden. Erstens bezieht sich Buddha auf die
historische Person, Siddhartha Gotama, die voll erleuchtet wurde. Aber
auch der Geist frei von Bef1eckungen ist damit gemeint, Buddha-Geist,
Buddha-Natur. Der Geist, der frei ist von Gier, Haß und Unwissenheit.
Es gab bis dreihundert Jahre nach dem Tode Buddhas keine Buddha-
Statuen. Die Übung der Menschen war das Bild Buddhas, es bestand keine
Notwendigkeit, es zu veräußerlichen. Aber nach einiger Zeit, nachdem
die Übung verloren ging, begannen die Menschen den Buddha außerhalb
ihres eigenen Geistes zu stellen, zurück in Zeit und Raum. Nachdem das
Konzept veräußerlicht war und Bilder gemacht wurden, begannen große
Lehrer, die andere Bedeutung Buddhas wieder zu unterstreichen. Es gibt
ein Wort: "Wenn du einen Buddha siehst, töte ihn." Ein sehr
erschreckender Ausspruch für Menschen, die vor einem Bild Weihrauch
verbrennen und beten. Wenn Sie im Geiste eine Vorstellung von einem
Buddha außerhalb von Ihnen selbst haben, töten Sie diese, lassen Sie
sie los. Es gab einen intensiven Dialog darüber, wie man die eigene
Buddha-Natur verwirklicht, während eines Lebens Buddha wird und in den
eigenen Buddha-Geist blickt; es kam neues Leben in die Übungen.
Gotama Buddha erinnerte die Menschen wiederholt daran, daß die
Erfahrung der Wahrheit aus dem eigenen Geist kommt. Es gibt die
Geschichte über einen Mönch, der sehr eingenommen war von der
physischen Gegenwart des Buddha, über den man sagt, daß er sowohl die
körperliche als auch die geistige Vollkommenheit darstellte, daß er bei
jeder Gelegenheit sich dicht neben ihn setzte und seine physischen
Formen betrachtete. Nach einiger Zeit wies Buddha ihn zurecht. Er sagte
dem Mönch, er könne diese Körperform hundert Jahre lang betrachten und
werde doch nicht den Buddha sehen. Wer den Dharma sieht, sieht auch den
Buddha. Der Buddha ist innen. Es ist die Erfahrung der Wahrheit. Wir
müssen immer im gegenwärtigen Moment sein, in der Erfahrung des Jetzt.
Wieder Wei Lang:
Wir sollten innerhalb der Geistesessenz nach Buddhaschaft trachten und
sollten nicht außerhalb unser danach suchen. Derjenige, der von seiner
Geistesessenz nichts weiß, ist ein gewöhnlicher Mensch. Der, welcher in
seiner Geistesessenz erleuchtet ist, ist ein Buddha.
Nicht Buddha als historische Person, sondem Buddha als Freiheit von
Befleckungen, als Reinheit des Geistes. Das ist der Buddha, zu dem wir
alle werden müssen.
Eine andere Vorstellung, die oft mißverstanden wird aufgrund
unterschiedlicher Traditionen, ist die Vorstellung des Bodhisattva. Das
Wort "Bodhisattva" hat zwei verschiedene Bedeutungen. In einem ganz
bestimmten Sinne bezieht es sich auf ein Wesen, das gelobt hat, die
höchste Erleuchtung zu erringen, wie es Siddhartha Gotama in seiner
langen Entwicklung zur Vollkommenheit tat. Es gibt eine zweite
Bedeutung von Bodhisattva, und diese bezieht sich auf alle Kräfte der
Reinheit im Geiste. In der Mahayana- und der tibetischen Tradition gibt
es ein ganzes Pantheon von Bodhisattvas, Sinnbilder der Kräfte in
unserem Geiste. Manjusri ist der Bodhisattva der Weisheit.
Avalokiteshvara ist der Bodhisattva des Mitgefühls: Erscheinungen der
Kräfte der Reinheit im Geiste. In jedem Augenblick der Weisheit werden
wir zu Manjusri, in jedem Augenblick des Mitfühlens werden wir
Avalokiteshvara. Wenn wir Bodhisattva so begreifen, erweitert sich die
Bedeutung der Bodhisattva-Gelübde.
In dem einen Sinne ist es das Gelübde, mit dem man sich der höchsten
Erleuchtung eines Buddha verschreibt. Über Siddhartha Gotama wird
gesagt, daß er während einer seiner Leben in der Gegenwart eines
anderen Buddha die Möglichkeit hatte, erleuchtet zu werden; aber er war
so inspiriert durch die Gegenwart des Buddha und so durchdrungen von
Mitgefühl für die Leiden aller Wesen, daß er gelobte, seine eigene
Erleuchtung hinauszuschieben, um alle Eigenschaften der Buddhaschaft
zur Vollkommenheit zu bringen. Obwohl die Geistesfreiheit eines
erleuchteten Wesens und eines Buddhas dieselbe ist, ist die Kraft und
Tiefe der Weisheit und des Mitgefühl eines Buddhas größer, weil er eine
unmeßbar längere Evolution hinter sich hat. Eine andere Bedeutung des
Bodhisattva-Gelübdes ist sehr klar von Wei Lang beschrieben worden:
Wir geloben, unzählige lebende Wesen zu befreien. Was bedeutet dies?
Dies will nicht heißen, daß ich, Wei Lang, sie nun befreien werde. Und
wer sind diese lebenden Wesen in unserem Geiste? Sie sind der befleckte
Geist, der trügerische Geist, der üble Geist und alle diese Arten von
Geisteszuständen - alle diese sind lebende Wesen. Sie alle haben sich
durch ihre eigene Geistesessenz zu befreien.
Das Gelübde, alle lebenden Wesen zu befreien, kann als ein Erlöser
aller Wesen in uns verstanden werden; wir befreien den zornigen Geist
und den unwissenden Geist und den gierigen Geist und den lustvollen
Geist. Alle diese Zustände sind Wesen, die aufsteigen und vergehen. Und
wir geloben, alle diese Wesen zu erlösen und diesen geistigen Vorgang
von allen Befleckungen und Unreinheiten zu befreien.
Ein anderer traditioneller Unterschied der verschiedenen Richtungen
hängt mit der Vorstellung von Nirvana und Samsara zusammen. Eine Schule
ist der Meinung, daß Nirvana von dem geistig-körperlichen Vorgang
getrennt ist; und eine andere hält Nirvana und Samsara für eins. Wie
vertragen sich diese beiden sich scheinbar widersprechenden Darlegungen
miteinander? Es gibt einen Weg, dies zu verstehen: Stellen Sie sich
einen Hurrikan vor, einen sehr heftigen Wind, der sich mit hoher
Geschwindigkeit dreht. Im Zentrum dieses Sturmes mit hoher Windstärke
gibt es eine Zone der Ruhe und Stille, das Auge des Hurrikans. Aus
einer Perspektive ist das Auge des Hurrikans sehr verschieden von den
Winden. Alles ist still, ruhig, völlig anders als der Wirbelwind, der
sich um das Auge dreht. Aus einer anderen Perspektive können wir sehen,
daß beide, der Sturm und das Auge, Teile einer Einheit sind und als ein
Ganzes beschrieben werden können. In demselben Sinne sind Samsara und
Nirvana aus einer Perspektive sehr verschieden voneinander. Eines ist
der fortwährende Vorgang der Veränderung und das andere ist Stille und
Frieden. Aus einer anderen Perspektive bilden sie zusammen eine Einheit
und sind in diesem Sinne eins. In der Erfahrung des Dharma werden die
Worte klar. Solange wir noch auf der theoretischen Vorstellungsebene
bleiben, scheinen die Worte verschiedener Richtungen auf verschiedene
Wahrheiten zu deuten. In Wirklichkeit sind sie verschiedene Finger, die
alle auf denselben Mond zeigen.
Es gibt ein kraftvolles Aufzeigen der Wahrheit in einer Beschreibung
des Geistes in einem hohen tibetischen, tantrischen Text. Versuchen Sie
die Worte zu erfahren, anstatt darüber nachzudenken:
In der Tat gibt es keine Zweiheit; es ist irrig, von einer Vielheit
auszugehen. Ehe diese Zweiheit nicht überwunden und Eins-Sein
verwirklicht wird, kann die Erleuchtung nicht erreicht werden. Die
Gesamtheit von Samsara und Nirvana, die beide nicht voneinander zu
trennen sind, machen unseren Geist aus. Der Mensch wandert in Samsara
umher, weil er sich an weltlichen Vorstellungen orientiert; es steht
ihm frei, diese anzunehmen oder zurückzuweisen. Daher kann nur eine
Dharma-Praxis, die sich von jeglicher Anhaftung losgesagt hat, den
ganzen Gehalt dieser Lehren erfassen.
Wenn es auch Einen Geist gibt, so hat er doch keinerlei Existenz.
Wenn man nach der eigentlichen Natur seines Geistes sucht, so ist er
zwar unsichtbar, aber doch ziemlich faßbar. In seinem eigentlichen
Zustand ist der Geist unverhüllt und makellos; er ist nicht aus irgend
etwas gewirkt als aus Leerheit, er ist klar, mit nichts angefüllt, ohne
Zweiheit, durchsichtig, zeitlos, mit nichts vermischt, von nichts
gehindert, ohne Färbung; er ist nicht als ein getrenntes Ding
wahrzunehmen, sondern als Einheit aller Dinge, jedoch nicht aus diesen
zusammengesetzt; er hat nur einen Geschmack und übersteigt jegliche
Unterscheidung.
Dieser Eine Geist entstammt tatsächlich der Leerheit, und es fehlt ihm
jegliche Grundlage. Der eigene Geist ist ebenso weit und leer wie der
Himmel. Schaue tief in deinen eigenen Geist, damit du erkennen kannst,
ob sich dies so verhält oder nicht. Objektive Erscheinungsformen, die
nichts anderes sind als eine Bewegung aus ständiger Veränderung, so wie
die Luft am Himmel, haben nicht die Kraft, dich zu fesseln und an sich
zu ziehen. Schaue tief in deinen eigenen Geist, damit du erkennen
kannst, ob sich dies so verhält oder nicht. Alle Erscheinungsformen
sind nichts anderes als deine eigenen Vorstellungen; sie entstehen aus
sich heraus im Geiste und lassen sich mit Spiegelbildern vergleichen.
Schaue tief in deinen eigenen Geist, damit du erkennen kannst, ob sich
dies so verhält oder nicht. Da alle äußeren Erscheinungsformen aus sich
heraus aufsteigen und von ihrem Wesen her so freifließend wie die
Wolken am Himmel sind, vergehen sie wieder an ihrem jeweiligen Orte.
Schaue tief in deinen eigenen Geist, damit du erkennen kannst, ob sich
dies so verhält oder nicht.
Da sich auch der Dharma nur in deinem Geiste befindet, ist nur dies ein
Ort für die Meditation. Da sich auch der Dharma nur in deinem Geiste
befindet, gibt es keinen anderen Platz der Wahrheit für die Einhaltung
eines Gelübdes. Da sich auch der Dharma nur in deinem Geiste befindet,
gibt es nirgendwo sonst einen Dharma, mit dessen Hilfe Befreiung
erlangt werden kann.
Der eigne Geist ist durchscheinend. Da er keine Eigenschaften hat, läßt
er sich mit einem wolkenlosen Himmel vergleichen. Jener Geisteszustand,
der jegliche Zweiheit überschreitet, bringt die Befreiung. Wieder und
wieder, schaue in deinen eigenen Geist.
Wenn der Dharma wahrhaftig verstanden wird, wird es klar, daß die
Essenz aller Übungen, die zur Freiheit führen, dieselbe ist; das heißt,
einen Geist zu entwickeln, der an überhaupt nichts mehr haftet. Keine
Vorlieben. Keine Unterscheidungen. Kein Werten. Kein Anhaften. Kein
Verurteilen. Die Übung ist dieselbe, ob sie nun durch die Worte des
sechsten Patriarchen in China oder den indischen Siddhartha Gotama
ausgedrückt wird.
Tilopa, ein großer indischer Weiser und der Gründer einer der
tibetischen Linien, lehrte seinem Schüler Naropa dieselbe
Ausgewogenheit des Geistes, die hier Mahamudra genannt wird.
Mahamudra liegt jenseits aller Worte und Symbole. Dir aber, Naropa, der
du ernsthaft und voller Hingabe bist, kann dies gesagt werden: Die
Leerheit bedarf keiner Stütze, Mahamudra ruht auf nichts. Du zerbrichst
die Fesseln und erreichst auf diese Weise die Befreiung, ohne daß du
eine Anstrengung unternehmen mußt - bleibe einfach ganz gelöst und
natürlich. Wenn du deinen Geist mit dem Geist beobachtest, so hebst du
jegliche Unterscheidung auf und erreichst Buddhaschaft.
Weder die Wolken, die am Himmel wandern, noch die unterscheidenden
Gedanken, die durch den Geist ziehen, haben Wurzeln oder ein Zuhause.
Wenn du einmal den wahren Geist erkennst, so hört jegliche
Unterscheidung auf.
Es bilden sich Formen und Farben im Raum, aber damit ist der Raum noch
nicht schwarz oder weiß gefärbt. Alle Dinge entstehen aus dem wahren
Geist heraus. Weder Tugend noch Laster können diesen Geist beflecken.
Unternimm nichts mit dem Körper, sondern entspanne dich einfach. Halte
Deinen Mund verschlossen und verharre im Schweigen. Mache deinen Geist
leer und denke an nichts. Laß deinen Körper zur Ruhe kommen - einem
hohlen Bambusrohr vergleichbar. Wenn du nichts mehr weggibst oder
aufnimmst, kannst du auch deinen Geist zur Ruhe bringen. Mahamudra ist
wie der Geist, der an nichts mehr anhaftet. Wenn du auf diese Weise
praktizierst, wirst du die Buddhaschaft erlangen, wenn die rechte Zeit
dafür gekommen ist.
Derjenige, welcher das Begehren aufgibt und nicht an diesem oder jenem
anhaftet, erkennt die wahre Bedeutung dessen, was in den Schriften
steht.
Zuerst spürt ein Yogi, daß sein Geist wie ein Wasserfall herabstürzt.
Im Mittellauf fließt er, wie der Ganges, langsam und sanft dahin. Am
Ende ist er wie ein großer, unermeßlicher Ozean, wo das Licht von Sohn
und Mutter zu einem verschmilzt.
"Derjenige, welcher das Begehren aufgibt und nicht an diesem oder jenem
anhaftet, wird die wahre Bedeutung dessen erfahren, was in den
Schriften steht." - "Entwickle einen Geist, der an nichts anhaftet."
Das Aufgeben des Ergreifens, das Aufgeben des Anhaftens: der Weg zur
Freiheit.
Die Tradition des Dharma, die in Japan aus der Linie von Wei Lang und
anderen Patriarchen entstand, brachte sehr schöne Schriften als
Ausdruck des Weges hervor, manchmal sehr humorvoll. Eine Geschichte
illustriert dieselbe Wahrheit vom Nichthaften und Nichtanklammern, in
einer dem Zen sehr gemäßen Weise:
Ein Universitätsprofessor besuchte einmal einen japanischen Meister und
stellte viele Fragen über Zen. Der Meister reichte Tee, füllte die
Tasse des Gastes - und fuhr dann fort einzuschenken. Der Professor
beobachtete das Überfließen und bemerkte, daß die Tasse voll und kein
Platz mehr für Tee da sei. "Genau wie diese Tasse", antwortete der
Meister, "sind Sie so voll von Ihren Ansichten und Meinungen, daß da
kein Platz für neues Begreifen ist. Um die Wahrheit zu erfahren, müssen
Sie erst Ihre Tasse leeren."
Wir können niemals die Wahrheit erfahren, solange noch ein Anhaften an
Meinungen und Ansichten da ist. "Suche nicht die Wahrheit. Höre nur
auf, Meinungen zu haben." Wenn wir das Anhaften an unsere vorgefaßten
Meinungen aufgeben, wird sich in der Stille des Geistes der ganze
Dharma offenbaren. Jeder von uns muß seine Tasse leeren, seinen Geist
von Anhaften an Ansichten und Glauben frei machen.
Es ist so viel Schönheit und Klarheit in den unterschiedlichen Arten,
wie sich der Dharma darstellt. Wir haben Glück, daß wir nicht in einer
Kultur aufgewachsen sind, die durch eine bestimmte Weise bedingt ist,
soweit wir offen genug bleiben, sie alle zu hören und zu würdigen. Sie
weisen alle auf dieselbe Wahrheit hin, auf die Erfahrung des Dharma in
uns.
Der Buddha gab den Rat: "Glaube nicht einfach an etwas, weil es dir
gesagt worden ist oder weil es herkömmlich ist oder weil du selbst es
dir so vorstellst. Glaube nicht nur aus Respekt vor deinem Lehrer an
das, was er dir sagt. Welchen Weg du auch immer gehst, wenn du ihn
gründlich untersuchst und feststellst, daß er zum Wohle und Glück aller
Wesen führt, dann folge ihm wie der Mond dem Weg der Sterne."
Machen Sie von der Ebene der Unterscheidungen und Neigungen
Gebrauch, wenn es angebracht ist, aber bedenken Sie dabei, daß es die
Vorstellungsebene des Geistes ist, nicht die Ebene der absoluten
Wahrheit. Benutzen Sie den Gedankenvorgang, ohne daran zu haften. Wie
es in der Bhagavad-Gita erklärt wird, handeln Sie ohne Anhaften an die
Früchte der Taten. Auf die gleiche Art kann unser Geist frei vom
Anhangen an Unterscheidungen und Neigungen sein, und doch können wir
sie einsetzen, wenn sie im Umgang mit der Welt notwendig sind.
Alles wird möglich, wenn man es mit Bewußtheit macht, mit
Klarheit, ohne Anhaften, ohne Ergreifen ; die ganze Welt, alle 10 000
Freuden und 10 000 Leiden sind da, um erfahren zu werden. Die Tätigkeit
selbst ist kein Maßstab für Tiefe oder Oberflächlichkeit. Der Maßstab
ist der Zustand des Geistes bei der Tätigkeit. Ein Tai Chi-Meister kann
in völliger Übereinstimmung mit dem Dharma sein, bei völliger
Gestilltheit des Geistes. Eine andere Person kann genau dieselben
Übungen mit Verspanntheit und Streben machen. Es gibt so viele schöne
Beispiele über alle Arten von Tätigkeiten, die als Ausdruck der
Vollkommenheit des Geistes dienen. Viele Dinge werden möglich, wenn der
Geist frei ist.
Es gibt eine Vorstelllung, daß man auf dem Wege erst durch
Hinayana und dann Mahayana und dann Vajrayana hindurchgeht, von einem
Fahrzeug zum anderen, um bei jedem andere Erfahrungen zu machen.
In dem Sinne sind Hinayana, Mahayana und
Vajrayapa Stufen auf einem Wege zur Erkenntnis. Welchen Weg Sie auch
gehen, diese Stufen werden da sein. Ob Sie einer burmesischen,
japanischen oder tibetischen Richtung folgen, in jeder werden Sie durch
Hinayana-, Mahayana- und Vajrayanastufen gehen müssen. Verwirrung tritt
auf, weil diese Begriffe sich auch auf die verschiedenen historischen
Traditionen beziehen. Die Leute verwechseln die Stufen auf dem Wege mit
den verschiedenen historischen und kulturellen Ausdrucksformen des
Dharma. Aus diesem Grunde sind diese Vorstellungen vielleicht nicht
besonders hilfreich. Es gibt viele Stufen auf dem Wege. Sie müssen
erfahren werden. Sie mit Namen zu belegen, ist nur äußerlich und bringt
möglichenweise Mißverständnisse. Es gibt nur das, was ist, die
Entfaltung des Dharma in uns selbst. Wir gehen durch sehr viele
Erfahrungen hindurch. Die Erfahrung, nicht die Vorstellungen und Namen
darüber, ist von größter Wichtigkeit.
Es gibt verschiedene Traditionen der Meditation in verschiedenen
Ländern.
Achtsamkeit kann mit jedem Objekt entwickelt werden. sie
können Achtsamkeit auf Gedanken, auf den Körper, auf äußerliche
Objekte, auf innere Objekte, auf sie alle oder auf eine Kombination
davon entwickeln. Die verschiedenen Techniken und Methoden sind
verschiedene Arten der Entwicklung der Achtsamkeit. Die Bewußtheit ist
die Essenz aller Übungen, das Gleichgewicht des Geistes, aus dem die
Erleuchtung kommt. Alle Dinge sind vergänglich, und Einsicht kann mit
jedwedem Objekt entwickelt werden. Sie können die Erleuchtung mitten in
einem Gedanken, mitten in einem Schmerz, während Sie essen oder gehen,
zu jeder Zeit erfahren, da sie aus dem vollkommenen Gleichgewicht des
Geistes kommt und nicht dadurch, daß Sie sich an ein bestimmtes Objekt
halten.
Manche Lehrer sprechen von den Gefahren der psychischen Kräfte
bei geistigen Übungen. Was bedeutet das?
Die Macht des Geistes kann entwickelt werden. Sie ist nicht
Weisheit. Macht und Weisheit sind zwei sehr verschiedene Dinge. Es kann
gefährlich sein, diese Kräfte zu entwickeln, bevor man eine hohe Stufe
der Erleuchtung erreicht hat, weil sie unter Umständen nur die
Vorstellung des Selbst, des Ego verstärken und manipulativ verwendet
werden können. Macht kann sehr heilsam eingesetzt werden, wenn man eine
feste Grundlage in Sittlichkeit und Verstehen hat. Aber es ist nicht
notwendig, diese Kräfte zu entwickeln. Es gibt viele erleuchtete Wesen
ohne psychische Kräfte, und es gibt viele Wesen mit diesen Kräften, die
nicht erleuchtet sind. Bei manchen Menschen vereinen sich Weisheit und
Macht.
Im Dhammapada spricht Buddha oft von dem Zustand der Erreichung
der Arahatschaft.
Dies bezieht sich auf die völlige Vernichtung von Gier, Haß
und Unwissenheit im Geiste, die durch die Nirvana-Erfahrung geschieht.
Die erste Erfahrung des Nirvana, der erste Schimmer der absoluten
Wahrheit entfernt einige der Fesseln aus dem Geiste; einige bleiben.
Und während der Pfad weiter beschritten wird, werden weitere Fesseln
aufgelöst. Ein Arahat ist ein Wesen, aus dessen Geist alle Fesseln
verschwunden sind. Auf die gleiche Weise bedeutet die Idee der
Buddhaschaft in diesem Leben Freiheit von Gier, Haß und Unwissenheit.
In der Erfahrung der Wahrheit wird die Einheit des Dharma verstanden.
Entwickeln Sie einen Geist, der an nichts anhaftet. Dies ist die Essenz
aller Lehren. Es wird ganz einfach, wenn man übt.
Was braucht man, um tiefe Erfahrungen der Einsicht zu
entwickeln? Muß es etwas Besonderes sein?
Nur eins ist notwendig: sich dessen bewußt zu sein, was im
Augenblick geschieht. Wenn wir irgendeine Vorstellung davon haben, was
geschehen sollte, dann erfahren wir nicht voll und ganz den Augenblick.
Die Übung ist, achtsam auf all die wechselnden Zustände des Geistes und
Körpers zu sein, ohne anzuhaften, ohne zu werten und ohne sich mit
ihnen zu identifizieren. Das ist der Weg vom Anfang bis zum Ende. Dann
entfaltet er sich von selbst; es gibt nichts, das wir tun müssen, damit
etwas geschieht. Die Leute glauben nicht, wie einfach es ist. Oft ist
das Bedürfnis da, es zu komplizieren und zu glauben, daß wir einige
phantastische Geisteszustände erleben müßten. Wir sollten uns eher sehr
aufmerksam still verhalten und das Fließen werden.
Alle Pfade drehen sich darum, daß man die illusorische Natur
des Selbst erkennt, der Selbstsucht ein Ende setzt. Der natürliche und
organische Ausdruck des Dharma ist Liebe und Mitgefühl, anderen zu
helfen und für sie zu sorgen. Dies hat nichts mit dem Fahrzeug oder dem
Pfad oder dem Gelübde zu tun; es ist der natürliche Ausdruck der
Weisheit. Wenn wir das Anhaften an die Vorstellung aufgeben, daß
dies "ich" bin und das "der Andere" ist, beginnen wir die Einheit aller
Wesen zu erfahren, und aus diesem Verständnis kommen Liebe und Dienen.
Größeres Fahrzeug, kleineres Fahrzeug.
Unwichtig!
Alle Fahrzeuge werden abgeschleppt
Auf Kosten des Eigentümers.
hans-wolfgang - am Dienstag, 2. November 2004, 13:57