Der Taoismus zählt in der chinesischen Tradition neben dem Buddhismus und Konfuzianismus zu den ,,Drei Lehren". Es ist nahezu unmöglich dem Taoismus ein bestimmtes Bild aufzuprojezieren. Auch die exakte Datierung seiner Entstehung ist ein Ding der Unmöglichkeit. Manche Historiker sehen die Anerkennung der Kirche der Tianshi (,,Himmelsmeister") durch Cao Cao im Jahr 215 n.Chr. als Beginn des Taoismus. Andere wiederum sehen das Ereignis der Shangqing-Offenbarung (die ,,Große Reinheit") zwischen 365 und 370 n.Chr. als das erste Auftreten des Taoismus.
Wir sehen also, dass der Taoismus im Gegensatz zum Konfuzianismus weder ein ,,Geburtsort" noch ein ,,Geburtsdatum" besitzt.
"Der Taoismus ist nie eine geeinte Religion gewesen. Er ist eher eine Kombination unterschiedlicher, sich auf ursprüngliche Offenbarungen gründenden Lehren."
Die Grundprinzipien
Neben der Lehre von Yin und Yang gehören die fünf Wandlungsphasen wuxing zur theoretischen Grundlage des Taoismus. Diese Grundprinzipien wurden erstmals in der Han-Dynastie entwickelt und später vor allem in der chinesischen Medizin verwirklicht.
Unser Universum (,,zehntausend Verwandlungen") erschafft sich selbst aus dem Ursprungsstoff, dem sogenannten Qi (Yuanqi). Qi hat keine feste beständige Form, ist also ohne Materie und ohne Geist. Jede Erscheinung ist nichts anderes als eine mehr oder weniger große Kondensation des Qi. Das Leben ist ein Zustand der vollkommenen Kondensation des Ursprungs-Qi. Anders gesagt sind alle Dinge dieser Welt nichts Anderes als eine partikularisierte Form des Qi. Verschwinden sie, so werden sie wieder zu Qi.
Es herrscht ein Wechselspiel zwischen dem kondensierten Zustand, dem Hier und Jetzt und dem aufgelösten Zustand. Diese Differenzierung des Qi manifestiert sich im reinen Yang und im undurchsichtigen Yin. Yang stieg auf und bildete den Himmel, während Yin abstieg und die Erde formte. Yang ist das Bewegliche, Leichte, die Einzigartigkeit des Seins, das ,,Ja" und steht somit im Gegensatz zum schweren, spaltenden Yin. Das Schriftzeichen ,,Yang" setzt sich aus einem Hügel, wo die Sonne über dem Horizont scheint sowie Lichtstrahlen, zusammen.
Yin ist das ,,Nein", die Zweiheit, der Beginn einer Differenzierung oder auch das Andersartige. Das Zeichen ,,Yin" setzt sich aus einem Hügel, einer Wolke am Himmel und Menschen unter einem einzigen Dach zusammen.
Es gibt mehrere schematische Darstellungen dieser Dualität des Yin und Yang. Die wohl bekannteste dieser bildlichen Anschauungsweisen ist folgende:
Die Welt stellt einen Kreis dar, welcher durch eine Achse geteilt wird. Die zwei Sektoren bilden den Himmel (reines Yang) und die Erde (reines Yin). Himmel und Erde begrenzen einen Zwischenbereich ab - die aus Yin und Yang geschaffene Welt der Menschen. Hier gibt es keine Dualität zwischen Yin und Yang. Es entsteht also keine Abgrenzung, welche üblicherweise der Fall ist. Sehen wir als Beispiel folgende Dualitäten:
Dunkelheit - Licht
Männlich - Weiblich
Schön - Hässlich
Aktiv - Passiv
Potentialität - Aktualisierung
Hierzu spricht Lau Zi: "Wenn jeder die Schönheit als schön erkennt, gibt es bereits Hässlichkeit. Wenn jeder das Gute als gut erkennt, gibt es bereits Böses. Sein und Nichtsein erzeugen sich gegenseitig. Schwer und Leicht verwirklichen sich gegenseitig. Lang und Kurz unterscheiden sich gegenseitig. Vorher und Nachher folgen sich gegenseitig."
Yin und Yang sind aneinander gebunden. Mit anderen Worten gesagt, können sie selbstständig nicht existieren. Yin und Yang bilden zwei Idealgrößen, welche nicht erreicht werden können, jedoch angestrebt werden.
Wie schon zuvor erwähnt gibt es neben Yin und Yang noch die ,,Fünf Elemente": Holz, Metall, Erde, Feuer und Wasser. Vier der fünf Wandlungsphasen teilen die Welt ihrerseits wieder in folgende Abschnitte ein:
Osten/Frühling
Süden/Sommer
Westen/Herbst
Norden/Winter
Unsere Erde liegt zentriert dazwischen und ist für den Zusammenhalt dieses Systems verantwortlich. Auch die ,,Fünf Elemente" sind neben Yin und Yang eine weitere anschauliche Darstellung des Qi. Zwischen den Wandlungsphasen herrscht ein natürliches Gleichgewicht, welches nur durch Menschen Hand gestört werden kann. Hier lässt sich das taoistische Prinzip des Wu Wei (Nicht-Handelns) ableiten.
Kosmogonie & Mensch
,,Das Wertvollste auf der Welt ist der Mensch". Er ist der Vermittler zwischen Himmel und Erde. Gleichzeitig war es auch der Mensch (Ban Gu oder Lao Zi), der Himmel und Erde voneinander trennte.
Da der Mensch wie das Universum auch, aus dem selben Ursprungs-Qi entstammt, ist es nicht verwunderlich, dass wir selbst in unserer organischen Baustruktur unserer Welt gleichen. In Teilen der chinesischen Mythologie heißt es gar, dass die Körper Lao Zis und Ban Gus das Universum geschaffen haben. Wir sind den selben Gesetzen unterworfen, die unser Universum beherrschen.
Die chinesische Mythologie besagt, dass wir Menschen zwei verschiedene Seelen besitzen: hun und po. Die erstere besitzt Yang-Charakter während die zweite Seele den Yin-Charakter in sich vereinigt. Wir sehen also, dass nicht nur das Universum in Yin und Yang geteilt ist, sondern auch wir Menschen. Die beiden Seelenteile streben zu ihrem Ursprung zurück: hun in den Himmel und po zur Erde. Eine weitere Analogie besteht zwischen den fünf Wandlungsformen und fünf ausgewählten menschlichen Organen (Leber, Herz, Lunge, Milz und Nieren).
Leben und Kosmos
Ein taoistischer Mönch ist bestrebt zum Ursprung alles Seienden zurückzukehren. Er will zum Augenblick vor der Trennung von Himmel und Erde vorstoßen. Der Zustand indem Bewegung und Unbewegtheit noch miteinander verschmolzen waren. Durch das Bewusstwerden seiner Rolle im Kreislauf alles Seienden erkennt er gleichzeitig die Prinzipien des Kosmos. Indem er das Prinzip wiederfindet, findet er die Ordnung der Welt wieder.
Gottheiten besitzen im Taoismus einen hohen Stellenwert. Der Taoismus verfügt über ein außerordentlich umfangreiches Pantheon. Nehmen wir als Beispiel eine im 5.Jhdt. n.Chr. angefertigte Liste der Shangqing-Gottheiten. Nicht weniger als 28 Seiten waren notwendig um die Gesamtheit der Gottheiten aufzulisten. Später wurde diese von Tao Hongjing gefertigte Aufzählung noch erweitert.
Ein wichtiges Merkmal der taoistischen Gottheiten liegt darin, dass sie fast alle impersonaler Natur sind. Sie alle haben keine Geschichte mit Ausnahme von Lao Zi und den Volksheiligen. Man muss sich das taoistische Pantheon eher als Verkörperung von Funktionen vorstellen. Alle Gottheiten entstammen dem Tao.
Lao Zi
Die Taoisten waren immer schon naturverbunden. Sie lehnten die Gesellschaft keineswegs ab, doch bevorzugten sie die Stille der natürlichen Welt. Stellt man sich einen typischen taoistischen Mönch vor, so denkt man an einen in abgelegenen Gegenden wohnenden Eremit, welcher den wenigen Menschen, die sich um ihn scharren, die Sensibilität der Natur näher bringt. Diese Vorstellung ist nicht verkehrt. Taoistische Priester waren wichtige Persönlichkeiten in der Gesellschaft. Sie vermittelten den Menschen Schutz vor bösen Geistern und Dämonen. Sie heilten sie von schlimmen Krankheiten und benutzten Rituale um Flüche aufzuheben. Das Eingreifen der taoistischen Priester in das gesellschaftliche Leben war also ein großer Bestandteil ihres Handelns. Beispiele dafür zeigen uns die Yijian zhi Anekdotensammlungen von Hong Mai.
Die Lehren des Taoismus, welche nach Meinung einiger Herrschenden schon beinahe anarchistische Züge angenommen hatten, wurden bald mit etwas Misstrauen betrachtet. Die Lehre mancher taoistischen Priester war oft genug Nährboden für Aufstände.
Einerseits ist das Denken der Taoisten durchwegs rational angeordnet, andererseits hat es durchaus auch symbolische Eigenheiten. Mythos spielte bei den Taoisten keine allzu bedeutende Rolle.
Mann kann wohl ohne schlechtes Gewissen sagen, daß der Taoismus als Vorläufer der chinesischen Medizin, der Astronomie und der Mathematik gilt. Er beeinflusste ebenso die Poesie, die Malerei und die Kunst allgemein.
Leben und Sein
Ein spannender Text, welcher aus den Gesprächen des Dschingis Khan und eines taoistischen Mönchs namens Ch′iu Ch′ang Ch′un hervorgeht, gibt uns ein gutes Bild von der taoistischen Lehre.
Dschingis Khan hörte, dass der Taoist die Praktiken der Langlebigkeit beherrsche, und erhoffte sich diese Techniken zu erlernen. Doch was der große Heerführer der Mongolen erfuhr war mehr als nur eine Anleitung zur Unsterblichkeit:
,,Sonne und Mond, Sterne und Planeten, Dämonen und Geister, Menschen und Wesen werden alle aus dem Tao geboren. Die Menschen wissen nur, dass der Himmel groß ist, sie wissen jedoch nicht um die Größe des Tao... Das Tao hat Himmel und Erde hervorgebracht... Als der Mensch erstmals ins Leben gekommen ist, ist er voll des göttlichen Strahlens gewesen...Allmählich aber sei es dazu gekommen, dass der Leib schwer geworden und sein göttliches Strahlen in der Folge erloschen ist. Der wahre Grund hierfür liegt in den amourösen Begierden...Deshalb verzichtet der Student des Tao auf Sex, Frivolität, um an Reinheit und Ruhe seine Freude zu finden..."
Ch′iu Ch′ang Ch′un sprach weiter:
,,...Zum Vergleich dient dem Taoisten ein Ball. Wenn er voller Luft ist, dann ist er gesund. Verliert er hingegen Luft, dann ist er nicht gesund...Wenn die Menschen aber Materiellem nachjagen, ihre Gedanken in Unruhe und Bewegung halten, dann zerstreut sich der Lebensodem..."
Dschingis Kahn war erstaunt über die weisen Worte seines Gasts:"...Die spirituellen Kräfte machten das wahre Selbst aus, das aus dem Tao heraus empfangen wird...Wenn man Gutes tut, sein Tao erfüllt, dann erhebt man sich in den Himmel und verweilt dort als Unsterblicher (hsien). Tut man Böses und wendet sich vom Tao ab, dann sinkt man als Dämon in die Erde...Wenn der Mensch sich im Guten übt, dann geht er wieder ein in das Tao."
Lao Zi und seine Lehre
Lao Zi gilt einerseits als der ,,Vater" des Taoismus, andererseits sehen in manche als einen Heiligen unter vielen. Der Großteil seines Lebens liegt im Verborgenen. Es gibt sogar Stimmen, die meinen, Lao Zi hätte niemals gelebt. Die Legende besagt auf jeden Fall, dass er als Archivar und Wahrsager am Ende der Zhou-Dynastie tätig gewesen sein soll.
Lao Zi
Das berühmte Werk des Lao Zi - das Daode jing - ist wohl auch Nicht-Taoisten ein Begriff. Historiker datieren die Schriften auf das 3. oder 4.Jhdt. v.Chr. zurück. Erst ab dem Jahr 838 n.Chr. wurde aus dem Daode jing offiziell gelehrt. Im Vordergrund steht der Begriff des Tao. Übersetzen würde man ,,Tao" mit ,,Weg", ,,Methode", ,,Technik" oder gar ,,Lebensregel". Im Sinne des Daode jing würde man das ,,Tao" eher als ,,letzte Wahrheit" übersetzen. Tao ist ein Weg ohne Weg, welchen man beschreiten muss um ihn zu verstehen. Das Tao ist der positive Weg. Im Daode jing wird das Tao wie gefolgt beschrieben: "Das Tao existiert in sich und durch sich selbst. Es war vor Himmel und Erde und wird in alle Ewigkeit sein. Es verlieh den Göttern ihre Göttlichkeit und der Welt ihr Dasein."
Das Daode jing offenbart eine Weltanschauung, welche auf Gleichmut, Ablehnung der gängigen Wertvorstellungen und dem ,,Tod des Egos" aufgebaut ist. Ein weiterer Schlüsselbegriff aus dem Daode jing ist der Begriff der Leere. Man kann ihn zweifach deuten. Einerseits ist es der Zustand eines Behältnisses, dessen Inhalt vollständig ausgeschüttet wurde. Obwohl dieser Aspekt trivial erscheint, steht er dennoch in enger Verbindung mit dem zweiten Verständnis der ,,Leere". Gemeint wird hier die ,,geistige und affektive Leere". Wie schon zuvor erwähnt ist die geistige Leere gleichzusetzen mit dem Tod des Ego. Die Leere beinhaltet das Nichtvorhandensein von Vorurteilen und Parteilichkeit. Als Beispiel hierfür wäre folgendes genannt: Verfolge ich ein Ziel mit all meinem Ehrgeiz und all meiner Kraft, so ist das falsch. All meine Energie, all meine Blicke konzentrieren sich auf das Ziel. Obwohl es so scheint, als wären meine Augen klar auf das Ziel gerichtet, sind sie es nicht. Es herrscht eine Dualität zwischen Klarsicht und Blindheit. Das Ziel ,,beherrscht" mich. Ich bin nicht ,,leer", sondern getrieben von meinem Ziel.
Folgender Gedicht von Berthold Brecht zeigt die Legende um die Entstehung des Daode jing:
>>Als er siebzig war und war gebrechlich
Drängte es den Lehrer doch nach Ruh
Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich
Und die Bosheit nahm an Kräften wieder zu.
Und er gürtete den Schuh.
Und er packte ein, was er so brauchte:
Wenig. Doch es wurde dies und das.
So die Pfeife, die er immer abends rauchte
Und das Büchlein, das er immer las.
Weißbrot nach dem Augenmass.
Freute sich des Tals noch einmal und vergaß es
Als er ins Gebirg den Weg einschlug.
Und sein Ochse freute sich des frischen Grases
Kauend, während er den Alten trug.
Denn dem ging es schnell genug.
Doch am vierten Tag der Felsgesteine
Hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt:
"Kostbarkeiten zu verzollen?" - "Keine."
Und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach: "Er hat gelehrt."
Und so war auch das geklärt.
Doch der Mann in einer heitren Regung
Fragte noch: "Hat er was rausgekriegt?"
Sprach der Knabe: "Dass das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den mächtgen Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt."
Dass er nicht das letzte Tageslicht verlöre
Trieb der Knabe nun den Ochsen an
Und die drei verschwanden schon um eine schwarze Föhre
Da kam plötzlich Fahrt in unsern Mann
Und er schrie: "He, du! Halt an!
Was ist das mit diesem Wasser, Alter?"
Hielt der Alte: "Intressiert es dich?"
Sprach der Mann: "Ich bin nur Zollverwalter
Doch wer wen besiegt, das intressiert auch mich.
Wenn du′s weißt, dann sprich!
Schreib mir′s auf! Diktier es diesem Kinde!
So was nimmt man doch nicht mit sich fort.
Dann gibt′s doch Papier bei uns und Tinte
Und ein Nachtmahl gibt es auch: ich wohne dort.
Nun, ist das ein Wort?"
Über seine Schulter sah der Alte
auf den Mann: Flickjoppe. Keine Schuh.
Und die Stirne eine einzige Falte.
Ach, kein Sieger trat da auf ihn zu.
Und er murmelte: "Auch du?"
Eine höfliche Bitte abzuschlagen
War der Alte, wie es schien, zu alt.
Denn er sagte laut: "Die etwas fragen
Die verdienen Antwort."
Sprach der Knabe: "Es wird auch schon kalt."
"Gut, ein kleiner Aufenthalt."
Und von seinem Ochsen stieg der Weise
Sieben Tage schrieben sie zu zweit.
Und der Zöllner brachte Essen (und er fluchte nur noch leise
Mit den Schmugglern in der ganzen Zeit).
Und dann war′s soweit.
Und dem Zöllner händigte der Knabe
Eines Morgens einundachtzig Sprüche ein.
Und mit Dank für eine kleine Reisegabe
Bogen sie um jene Föhre ins Gestein.
Sagt jetzt: kann man höflicher sein?
Aber rühmen wir nicht nur den Weisen
Dessen Name auf dem Buche prangt!
Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen.
Darum sei der Zöllner auch bedankt:
Er hat sie ihm abverlangt.<<
Lao Zi soll weit über achtzig Jahre alt geworden sein und im Alter von etwa siebzig Jahren sein Heimatland verlassen haben. Ein Zollbeamter namens Yinxi hielt Lao Zi am Xianku-Pass auf und erhielt in weiterer Folge das Daode jing.
Zusammenfassend können wir sagen, dass die letzte Wahrheit spontan handelt. Sie handelt ohne das Handeln bzw. Eingreifen des Menschen. Unser dualistisches Denken kann nicht zu ihr vorstoßen. Man kann sie nur erreichen, indem man sie frei handeln lässt. Mit anderen Worten, müssen wir den Zustand der ,,Leerheit" erreichen.
Zhuang Zi und seine Lehre
Neben Lao Zi ist wohl Zhuang Zi als der zweite ,,Gründungsvater" zu nennen. Auch über Zhuang Zi sind wenige Details bekannt. Sicher sind sich die Historiker nur, dass er im 4.Jahrhundert v.Chr. gelebt hat. Ihm ist das gleichnamige Werk - das Zhuang Zi - zugeschrieben, welches neben dem Daode jing als Stiftertext des Taoismus gilt. Genau genommen existiert heute nur mehr die überarbeitete Fassung des Guo Xiang, welcher um 300 n.Chr. den Originaltext leicht abgeändert und verkürzt hat.
Das Zhuang Zi systematisiert und veranschaulicht mehr noch als das Daode jing Themen wie die innere Heiterkeit und die Weltablehnung. Es differenziert sich jedoch in Richtung einer größeren Tendenz zur Verinnerlichung. Das Zhuang Zi beschert uns eine lebendige Beschreibung der Heiligen jener Zeit. Zhuang Zi sieht den Heiligen in ganz anderen Ausmaßen, als Lao Zi dies tut. Der Heilige besitzt eine vollkommene geistige und physische Freiheit. Er durchstreift nicht nur das Universum, er ist eins mit ihm. Er lebt in totaler Einheit mit sich selbst und allen anderen Dingen unseres Kosmos. Er weist eine kosmische Dimension auf. Er ist also kein Herrscher, als den ihn Lao Zi sieht.
Ein weiteres wesentliches Element im 33 Kapitel umfassenden Zhuang Zi ist die Postulierung zweier Prinzipien - Qi und Jing (Essenz).
Eingangstor zum Tempel der Weißen Wolke, einem taoistischen Tempel aus dem 16. Jahrhundert in Peking.
Zhuang Zi war der erste welcher das Leben als reine Verdichtung des Qi ansah. ,,Zerstreue sich das Qi, so würde man sterben". Jing war für Zhuang Zi die ,,Grundlage des Körpers". Wir sehen also, dass Zhuang Zi das Gedankenexperiment von Lao Zi nicht nur ausgeweitet, sondern auch systematisiert hat.
Wei und Wu Wei
Wei (Handeln) und Wu Wei (Nicht handeln) sind zentrale Begriffe in der Philosophie Lao Zis. Auch Kong Zi verwendete den Begriff des Wu Wei, jedoch nur in folgenden Zusammenhang: "War es nicht (der Kaiser) Shun, der nicht handelte (wu-wei) und dennoch gut regierte? Was tat er? Er korrigierte sich selbst und nahm die ihm gemäße Stellung als Herrscher ein": In welchen Kontext Kong Zi seine Worte wählte werde ich gleich erläutern. Vorab ist es wichtig zu wissen, dass zwischen dem Taoismus und dem Konfuzianismus eine gewisse Feindschaft bestand. Nehmen wir hier ein Zitat des Großhistoriographen Si-ma Qian zur Hilfe, welcher berichtete:" Die Lao Zi-Schule unserer Zeit bekämpft die Konfuzianer und die Konfuzianer bekämpfen auch Lao Zi. Weil ihr Tao nicht dasselbe ist, stimmen sie nicht überein." Lao Zi hat Kong Zi so gut wie in allem widersprochen.
Wu Wei
Betrachten wir jetzt näher das Prinzip des Wu Wei. Wir finden folgenden interessanten Satz im Daode jing: "Das Tao tut nichts, und doch bleibt nichts ungetan". Im Einklang mit dem Tao zu handeln, ist deshalb gleichzusetzen mit im Einklang mit der Natur (auch mit der menschlichen Natur) zu handeln;
den Dingen und der Natur ihren Lauf zu lassen. Wir sehen also, dass ,,Wu Wei" keineswegs die Aufforderung zum Gar-Nichtstun ist.
Es ist vielmehr die Anweisung nur der menschlichen Natur nach zu handeln. Erst wenn alles seinen eigenen Weg gehen kann, herrscht Harmonie im Universum.
So wie Kong Zi das Wu Wei im politischen Kontext benutzt hat (siehe oben), hat auch Lao Zi eine politische Dimension daraus abgeleitet. Dazu steht geschrieben: "Ich handle nicht, und das Volk wandelt sich. Ich freue mich der Stille, und das Volk wird gerecht. Ich brauche keine Gewalt, und das Volk wird reich. Ich habe keine Begierde, und das Volk wird einfach."
Oder weiters: "Je mehr Einschränkungen und Verbote es im Reich gibt, desto ärmer wird das Volk. Je mehr scharfe Geräte die Leute haben, desto mehr Verwirrung ist im Land. Je mehr Kunst und Schlauheit die Leute haben, desto mehr frivole Dinge werden hergestellt. Je mehr Gesetze und Vorschriften erlassen werden, desto mehr Räuber und Diebe gibt es"
Es ist also leicht nachzuvollziehen, was uns Lao Zi mit seinen Texten sagen wollte. Ein guter, weiser Herrscher versucht nicht sein Volk zu lenken. Er herrscht also gemäß der Lehre des Wu Wei, des Nicht-Handelns.
Fünf Scheffel Reis und die Himmelsmeister
Das 2.Jahrhundert n.Chr. ist als Beginn eines kollektiv auftretenden Taoismus zu sehen. Der Taoismus nimmt zu dieser Zeit erstmals eine organisierte Form an. Zwei unterschiedlich Bewegungen , die der ,,Fünf Scheffel Reis" und der ,,Gelben Turbane", traten erstmals in Erscheinung. Die Anhänger der ,,Gelben Turbane" glaubten an den ,,Gelben Gott" und erhofften sich ein neues Zeitalter, welches zur Herrschaft eines ,,Gelben Himmels" führen sollte. Gelb gilt als die Farbe der Wandlungsphase Erde.
Dieses neue Zeitalter sollte den Menschen Frieden, Harmonie und Freiheit bescheren. Dieses utopische Gedankenkonstrukt lehnte sich an ein im Osten gelegenes Staatswesen mit dem Namen Da Qin an. Gemeint war das Römische Reich. Der Bewegung der ,,Gelben Turbane" war nur ein sehr kurzes Leben vorbestimmt. Die Taoisten lehnten ihre Lehren ab und so kam es, dass sie von den Han zerschlagen wurden.
Auch die Anhänger der ,,Fünf Scheffel Reis"- Lehre strebten nach einem idealisierten Staatswesen. Bei zeremoniellen Veranstaltungen hatte jeder Gläubige fünf Scheffel Reis entrichten müssen, daher der Name dieser Bewegung. Auch sie erhofften sich ein neues goldenes Zeitalter. Es gelang ihnen gar für einige Jahrzehnte ein kleines taoistisches Staatswesen zu gründen. Der Gründer war ein kleiner Grundbesitzer namens Zhang Daoling. Ihm war im Jahre 142 n.Chr. Lao Zi erschienen, der ihn mit der "Vertragsheiligkeit der Gradheit und Einheit" begabte, wodurch er in die Lage versetzt wurde, mit den zahlreichen Geistern der Welt Verträge zu schließen.
Eine wesentliche Rolle in den Lehren dieser Organisation spielte das ,,Saat-Volk", ein Volk von Auserwählten. Das Oberhaupt eines solchen Volkes war der sogenannte Himmelsmeister (tianshi). Dieser war ein irdischer Vertreter des Gottes Laojun. Zhang Daoling predigte, dass alle Krankheiten von Geistern als Vergeltung böser Taten geschickt werden. Diese könnten aber in Form einer priesterlichen Zeremonie von einem genommen werden.
Im Jahr 215 n.Chr., also am Ende der späten Han-Dynastie (25 - 220 n.Chr.), gelang es dem großen Han-General Ts′ao Ts′ao den ,,Fünf Scheffel Reis"- Taoismus zu befrieden.
Der Shangqing Taoismus
Die Bewegung des Shangqing (Höchste Reinheit) setzte am Ende des 4.Jahrhunderts n.Chr. die taoistische Tradition in China fort. Es war nun erstmals der Fall, dass innerhalb des Taoismus Anleihen beim Buddhismus gemacht wurden. Der Shangqing Taoismus vereinte Strukturen bestimmter Lokalkulte, Traditionen der Himmelsmeister sowie einige Aspekte der Lehren des berühmten Taoisten Ge Hong, welcher ein Gegenpol zur Philosophie der Himmelsmeister bildete. Weiters bekam der visuelle Aspekt der Meditation eine Vormachtstellung gegenüber den Techniken der Unsterblichkeit, die den Taoismus Jahrhunderte lang geprägt hatten.
Die Philosophie der Shangqing Bewegung stützte sich auf eine Sammlung von Schriften, welche einem Taoisten namens Yang Xi von den Göttern offenbart wurde. Der Shangqing Taoismus setzte vermehrt auf Mythen und Fabeln. Der taoistische Pantheon war ebenso einer Veränderung unterworfen. Es war die erste taoistische Bewegung, die eine Anzahl echter Hymnen an die Gottheiten hervorbrachten. Auch die Rolle der Heiligen wurde wieder in den Vordergrund gerückt. Es gab weiters eine fixe Regelung, bezüglich der Meditationspraktiken, welche wie schon erwähnt ausgeweitet wurden.
Nehmen wir das Beispiel der Suche nach ewigen Leben. Wir können den Schlüssel zur Unsterblichkeit nicht finden, wenn wir aufbrechen, in die Welt hinausziehen und Ausschau halten. Die Meditation ist des Rätsels Lösung wie wir aus folgenden Passus einer Schrift der Shangqing Bewegung erkennen können: "Unsterblichkeit wird mit dem Herzen erlernt; ist das Herz aufrichtig, so erlangt man den Weg zur Unsterblichkeit; der Weg zur Unsterblichkeit ist eine innere Suche; zieht man sich ins Innere zurück, so wird das Tao herbeikommen."
Ein wichtiges Merkmal ist weiters die Meister-Schüler-Beziehung. Bislang war es der Fall, dass der Lehrer den Adepten unterrichtete und leitete. Doch nun bestand die Rolle des Meisters darin, die heiligen Schriften zu überliefern, denn diese stellten den ,,wahren Lehrer" eines Schülers dar.
Der wichtigste Text der Shangqing, welcher zu einem der Hauptwerke des Taoismus avancierte, ist das Dadong zhenjing, der ,,Wahrhafte Klassiker des großen Dong".
Wir sehen also, dass der Taoismus im Laufe der Zeit immer mehr verfeinert und systematisiert wurde. Was anfangs eine gespaltene Lehre war, veränderte sich in Jahrhunderten zu einer sich immer in Bewegung befindlichen Religion.
Der Taoismus im heutigen China
Mit der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949, unter der politischen Führung der kommunistischen Partei, kam es infolge zu zahlreichen Verboten taoistischer Aktivitäten. Beispielsweise wurden die heilkundlichen Tätigkeiten der Taoisten als unwissenschaftlich abgetan. Es kam zur Zerstörung und Zweckentfremdung von Tempelanlagen und Klöstern.
Erst mit dem Ende der Kulturrevolution 1976 gab es wieder einen Aufschwung zugunsten des Taoismus. Es kam sozusagen zu einer Wiederbelebung taoistischer Praktiken. Vor allem die ,,Chinesische Taoistische Vereinigung", welche bis heute als ein Schulungszentrum für Taoisten fungiert, hatte großen Anteil an der Modernisierung des Taoismus. Offiziell dürfen bis heute die religiösen Aktivitäten nur innerhalb der Tempelanlagen stattfinden. Trotzdem liegt es auf der Hand, dass die Gläubigen auch außerhalb der Klostermauern Seelenbeistand brauchen und dieser ihnen auch gewährt wird.
Seit dem Ende der Kulturrevolution gab es weiters ein beträchtliches Interesse an taoistischer Fachliteratur und wissenschaftlichen Abhandlungen. Man strebte danach das chinesische Kulturerbe zu bewahren.
Bis heute nimmt der Taoismus einen wichtigen Platz in der chinesischen Gesellschaft ein. Auch weit außerhalb der Grenzen Chinas trifft man auf taoistisches Gedankengut. Wir sehen also, dass der Taoismus weiterhin einen enormen Stellenwert in der chinesischen Kultur besitzt.
Auszüge aus dem Daode jing
1: Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Unergründlichen
Das Unergründliche, das man ergründen kann, ist nicht das unergründbar Letzte.
Der Begriff, durch den man begreifen kann, zeugt nicht vom Unbegreiflichen.
Im Unbegreiflichen liegt der Welt Beginn, nennbar wird nur, was Gestalt gewinnt. Daher gilt: Das Wesen erschaut, wer wunschlos zum Herzen der Dinge strebt;
Gestalten nur sieht, wer begehrlich am Sinnlichen klebt.
Wesen und Gestalt sind nur begrifflich gespalten, geheimnisvoll bleibt ihrer Einheit Grund. Diese Einheit ist das Geheimnis der Geheimnisse, zu allem Unergründlichen erst das Tor.
8: Sichfügen - das Geheimnis echten Lebens
Echtes Leben gleicht dem Wasser.
Still fügt es sich dem Grund, den Menschen verachten,
gütig und selbstlos allem dienend,
dem unergründlichen Urquell gleichend.
Echtes Leben ist: Anspruchslos nach außen und wunschlos nach innen;
hingebend im Dienen und wahrhaftig im Reden;
ordnend im Führen und leistungsstark im Wirken;
gelassen im Tun. Gütig sich fügend, ist es unantastbar.
33: Echtes Gebildetsein überwindet den Tod
Klug ist der, der andere durchschaut, weise, wer sich selbst durchschaut.
Kraft beweist, wer andre zwingt, Art jedoch, wer sich selbst bezwingt.
Willen hat, wer Herr seines Tuns ist, Reichtum aber, wer zufrieden bleibt.
Standhaft ist, wer an seinem Platz verharrt, wahrhaft lebt, wer im Tod besteht
47: Der Weg zur Menschen- und Welterkenntnis
Um die Welt zu erkennen, brauch′ ich nicht in sie zu gehen.
Das Geheimnis der Welt kann ich erschauen, ohne aus dem Fenster zu sehen.
Je weiter einer in die Ferne schweift, um so geringer wird sein Erkennen.
Der Waise kommt zu seiner Erkenntnis ohne Wissensdrang;
er kommt an sein Ziel ohne Anstrengung;
er vollendet seinen Weg mühelos.
77: Selbstloses Tun schafft echten Ausgleich
Des Himmels Wirken gleicht dem Spannen des Bogens: es macht das Hohe niedrig und das Niedrige hoch; es nimmt, wo zuviel ist, fügt hinzu, wo zu wenig ist.
Immer ist des Himmels Wirken so: Er nimmt aus der Fülle und gibt sich der Leere.
Menschen handeln anders: sie nehmen, wo schon wenig ist, und fügen hinzu, wo schon viel ist. Wer im Unergründlichen gründet, schenkt der Gemeinschaft aus seiner Fülle. Daher wirkt der Waise, ohne etwas für sich zu beanspruchen, und ohne an seinem Werk zu haften. Er will nichts sein und nichts haben.
Wir sehen also, dass der Taoismus im Gegensatz zum Konfuzianismus weder ein ,,Geburtsort" noch ein ,,Geburtsdatum" besitzt.
"Der Taoismus ist nie eine geeinte Religion gewesen. Er ist eher eine Kombination unterschiedlicher, sich auf ursprüngliche Offenbarungen gründenden Lehren."
Die Grundprinzipien
Neben der Lehre von Yin und Yang gehören die fünf Wandlungsphasen wuxing zur theoretischen Grundlage des Taoismus. Diese Grundprinzipien wurden erstmals in der Han-Dynastie entwickelt und später vor allem in der chinesischen Medizin verwirklicht.
Unser Universum (,,zehntausend Verwandlungen") erschafft sich selbst aus dem Ursprungsstoff, dem sogenannten Qi (Yuanqi). Qi hat keine feste beständige Form, ist also ohne Materie und ohne Geist. Jede Erscheinung ist nichts anderes als eine mehr oder weniger große Kondensation des Qi. Das Leben ist ein Zustand der vollkommenen Kondensation des Ursprungs-Qi. Anders gesagt sind alle Dinge dieser Welt nichts Anderes als eine partikularisierte Form des Qi. Verschwinden sie, so werden sie wieder zu Qi.
Es herrscht ein Wechselspiel zwischen dem kondensierten Zustand, dem Hier und Jetzt und dem aufgelösten Zustand. Diese Differenzierung des Qi manifestiert sich im reinen Yang und im undurchsichtigen Yin. Yang stieg auf und bildete den Himmel, während Yin abstieg und die Erde formte. Yang ist das Bewegliche, Leichte, die Einzigartigkeit des Seins, das ,,Ja" und steht somit im Gegensatz zum schweren, spaltenden Yin. Das Schriftzeichen ,,Yang" setzt sich aus einem Hügel, wo die Sonne über dem Horizont scheint sowie Lichtstrahlen, zusammen.
Yin ist das ,,Nein", die Zweiheit, der Beginn einer Differenzierung oder auch das Andersartige. Das Zeichen ,,Yin" setzt sich aus einem Hügel, einer Wolke am Himmel und Menschen unter einem einzigen Dach zusammen.
Es gibt mehrere schematische Darstellungen dieser Dualität des Yin und Yang. Die wohl bekannteste dieser bildlichen Anschauungsweisen ist folgende:
Die Welt stellt einen Kreis dar, welcher durch eine Achse geteilt wird. Die zwei Sektoren bilden den Himmel (reines Yang) und die Erde (reines Yin). Himmel und Erde begrenzen einen Zwischenbereich ab - die aus Yin und Yang geschaffene Welt der Menschen. Hier gibt es keine Dualität zwischen Yin und Yang. Es entsteht also keine Abgrenzung, welche üblicherweise der Fall ist. Sehen wir als Beispiel folgende Dualitäten:
Dunkelheit - Licht
Männlich - Weiblich
Schön - Hässlich
Aktiv - Passiv
Potentialität - Aktualisierung
Hierzu spricht Lau Zi: "Wenn jeder die Schönheit als schön erkennt, gibt es bereits Hässlichkeit. Wenn jeder das Gute als gut erkennt, gibt es bereits Böses. Sein und Nichtsein erzeugen sich gegenseitig. Schwer und Leicht verwirklichen sich gegenseitig. Lang und Kurz unterscheiden sich gegenseitig. Vorher und Nachher folgen sich gegenseitig."
Yin und Yang sind aneinander gebunden. Mit anderen Worten gesagt, können sie selbstständig nicht existieren. Yin und Yang bilden zwei Idealgrößen, welche nicht erreicht werden können, jedoch angestrebt werden.
Wie schon zuvor erwähnt gibt es neben Yin und Yang noch die ,,Fünf Elemente": Holz, Metall, Erde, Feuer und Wasser. Vier der fünf Wandlungsphasen teilen die Welt ihrerseits wieder in folgende Abschnitte ein:
Osten/Frühling
Süden/Sommer
Westen/Herbst
Norden/Winter
Unsere Erde liegt zentriert dazwischen und ist für den Zusammenhalt dieses Systems verantwortlich. Auch die ,,Fünf Elemente" sind neben Yin und Yang eine weitere anschauliche Darstellung des Qi. Zwischen den Wandlungsphasen herrscht ein natürliches Gleichgewicht, welches nur durch Menschen Hand gestört werden kann. Hier lässt sich das taoistische Prinzip des Wu Wei (Nicht-Handelns) ableiten.
Kosmogonie & Mensch
,,Das Wertvollste auf der Welt ist der Mensch". Er ist der Vermittler zwischen Himmel und Erde. Gleichzeitig war es auch der Mensch (Ban Gu oder Lao Zi), der Himmel und Erde voneinander trennte.
Da der Mensch wie das Universum auch, aus dem selben Ursprungs-Qi entstammt, ist es nicht verwunderlich, dass wir selbst in unserer organischen Baustruktur unserer Welt gleichen. In Teilen der chinesischen Mythologie heißt es gar, dass die Körper Lao Zis und Ban Gus das Universum geschaffen haben. Wir sind den selben Gesetzen unterworfen, die unser Universum beherrschen.
Die chinesische Mythologie besagt, dass wir Menschen zwei verschiedene Seelen besitzen: hun und po. Die erstere besitzt Yang-Charakter während die zweite Seele den Yin-Charakter in sich vereinigt. Wir sehen also, dass nicht nur das Universum in Yin und Yang geteilt ist, sondern auch wir Menschen. Die beiden Seelenteile streben zu ihrem Ursprung zurück: hun in den Himmel und po zur Erde. Eine weitere Analogie besteht zwischen den fünf Wandlungsformen und fünf ausgewählten menschlichen Organen (Leber, Herz, Lunge, Milz und Nieren).
Leben und Kosmos
Ein taoistischer Mönch ist bestrebt zum Ursprung alles Seienden zurückzukehren. Er will zum Augenblick vor der Trennung von Himmel und Erde vorstoßen. Der Zustand indem Bewegung und Unbewegtheit noch miteinander verschmolzen waren. Durch das Bewusstwerden seiner Rolle im Kreislauf alles Seienden erkennt er gleichzeitig die Prinzipien des Kosmos. Indem er das Prinzip wiederfindet, findet er die Ordnung der Welt wieder.
Gottheiten besitzen im Taoismus einen hohen Stellenwert. Der Taoismus verfügt über ein außerordentlich umfangreiches Pantheon. Nehmen wir als Beispiel eine im 5.Jhdt. n.Chr. angefertigte Liste der Shangqing-Gottheiten. Nicht weniger als 28 Seiten waren notwendig um die Gesamtheit der Gottheiten aufzulisten. Später wurde diese von Tao Hongjing gefertigte Aufzählung noch erweitert.
Ein wichtiges Merkmal der taoistischen Gottheiten liegt darin, dass sie fast alle impersonaler Natur sind. Sie alle haben keine Geschichte mit Ausnahme von Lao Zi und den Volksheiligen. Man muss sich das taoistische Pantheon eher als Verkörperung von Funktionen vorstellen. Alle Gottheiten entstammen dem Tao.
Lao Zi
Die Taoisten waren immer schon naturverbunden. Sie lehnten die Gesellschaft keineswegs ab, doch bevorzugten sie die Stille der natürlichen Welt. Stellt man sich einen typischen taoistischen Mönch vor, so denkt man an einen in abgelegenen Gegenden wohnenden Eremit, welcher den wenigen Menschen, die sich um ihn scharren, die Sensibilität der Natur näher bringt. Diese Vorstellung ist nicht verkehrt. Taoistische Priester waren wichtige Persönlichkeiten in der Gesellschaft. Sie vermittelten den Menschen Schutz vor bösen Geistern und Dämonen. Sie heilten sie von schlimmen Krankheiten und benutzten Rituale um Flüche aufzuheben. Das Eingreifen der taoistischen Priester in das gesellschaftliche Leben war also ein großer Bestandteil ihres Handelns. Beispiele dafür zeigen uns die Yijian zhi Anekdotensammlungen von Hong Mai.
Die Lehren des Taoismus, welche nach Meinung einiger Herrschenden schon beinahe anarchistische Züge angenommen hatten, wurden bald mit etwas Misstrauen betrachtet. Die Lehre mancher taoistischen Priester war oft genug Nährboden für Aufstände.
Einerseits ist das Denken der Taoisten durchwegs rational angeordnet, andererseits hat es durchaus auch symbolische Eigenheiten. Mythos spielte bei den Taoisten keine allzu bedeutende Rolle.
Mann kann wohl ohne schlechtes Gewissen sagen, daß der Taoismus als Vorläufer der chinesischen Medizin, der Astronomie und der Mathematik gilt. Er beeinflusste ebenso die Poesie, die Malerei und die Kunst allgemein.
Leben und Sein
Ein spannender Text, welcher aus den Gesprächen des Dschingis Khan und eines taoistischen Mönchs namens Ch′iu Ch′ang Ch′un hervorgeht, gibt uns ein gutes Bild von der taoistischen Lehre.
Dschingis Khan hörte, dass der Taoist die Praktiken der Langlebigkeit beherrsche, und erhoffte sich diese Techniken zu erlernen. Doch was der große Heerführer der Mongolen erfuhr war mehr als nur eine Anleitung zur Unsterblichkeit:
,,Sonne und Mond, Sterne und Planeten, Dämonen und Geister, Menschen und Wesen werden alle aus dem Tao geboren. Die Menschen wissen nur, dass der Himmel groß ist, sie wissen jedoch nicht um die Größe des Tao... Das Tao hat Himmel und Erde hervorgebracht... Als der Mensch erstmals ins Leben gekommen ist, ist er voll des göttlichen Strahlens gewesen...Allmählich aber sei es dazu gekommen, dass der Leib schwer geworden und sein göttliches Strahlen in der Folge erloschen ist. Der wahre Grund hierfür liegt in den amourösen Begierden...Deshalb verzichtet der Student des Tao auf Sex, Frivolität, um an Reinheit und Ruhe seine Freude zu finden..."
Ch′iu Ch′ang Ch′un sprach weiter:
,,...Zum Vergleich dient dem Taoisten ein Ball. Wenn er voller Luft ist, dann ist er gesund. Verliert er hingegen Luft, dann ist er nicht gesund...Wenn die Menschen aber Materiellem nachjagen, ihre Gedanken in Unruhe und Bewegung halten, dann zerstreut sich der Lebensodem..."
Dschingis Kahn war erstaunt über die weisen Worte seines Gasts:"...Die spirituellen Kräfte machten das wahre Selbst aus, das aus dem Tao heraus empfangen wird...Wenn man Gutes tut, sein Tao erfüllt, dann erhebt man sich in den Himmel und verweilt dort als Unsterblicher (hsien). Tut man Böses und wendet sich vom Tao ab, dann sinkt man als Dämon in die Erde...Wenn der Mensch sich im Guten übt, dann geht er wieder ein in das Tao."
Lao Zi und seine Lehre
Lao Zi gilt einerseits als der ,,Vater" des Taoismus, andererseits sehen in manche als einen Heiligen unter vielen. Der Großteil seines Lebens liegt im Verborgenen. Es gibt sogar Stimmen, die meinen, Lao Zi hätte niemals gelebt. Die Legende besagt auf jeden Fall, dass er als Archivar und Wahrsager am Ende der Zhou-Dynastie tätig gewesen sein soll.
Lao Zi
Das berühmte Werk des Lao Zi - das Daode jing - ist wohl auch Nicht-Taoisten ein Begriff. Historiker datieren die Schriften auf das 3. oder 4.Jhdt. v.Chr. zurück. Erst ab dem Jahr 838 n.Chr. wurde aus dem Daode jing offiziell gelehrt. Im Vordergrund steht der Begriff des Tao. Übersetzen würde man ,,Tao" mit ,,Weg", ,,Methode", ,,Technik" oder gar ,,Lebensregel". Im Sinne des Daode jing würde man das ,,Tao" eher als ,,letzte Wahrheit" übersetzen. Tao ist ein Weg ohne Weg, welchen man beschreiten muss um ihn zu verstehen. Das Tao ist der positive Weg. Im Daode jing wird das Tao wie gefolgt beschrieben: "Das Tao existiert in sich und durch sich selbst. Es war vor Himmel und Erde und wird in alle Ewigkeit sein. Es verlieh den Göttern ihre Göttlichkeit und der Welt ihr Dasein."
Das Daode jing offenbart eine Weltanschauung, welche auf Gleichmut, Ablehnung der gängigen Wertvorstellungen und dem ,,Tod des Egos" aufgebaut ist. Ein weiterer Schlüsselbegriff aus dem Daode jing ist der Begriff der Leere. Man kann ihn zweifach deuten. Einerseits ist es der Zustand eines Behältnisses, dessen Inhalt vollständig ausgeschüttet wurde. Obwohl dieser Aspekt trivial erscheint, steht er dennoch in enger Verbindung mit dem zweiten Verständnis der ,,Leere". Gemeint wird hier die ,,geistige und affektive Leere". Wie schon zuvor erwähnt ist die geistige Leere gleichzusetzen mit dem Tod des Ego. Die Leere beinhaltet das Nichtvorhandensein von Vorurteilen und Parteilichkeit. Als Beispiel hierfür wäre folgendes genannt: Verfolge ich ein Ziel mit all meinem Ehrgeiz und all meiner Kraft, so ist das falsch. All meine Energie, all meine Blicke konzentrieren sich auf das Ziel. Obwohl es so scheint, als wären meine Augen klar auf das Ziel gerichtet, sind sie es nicht. Es herrscht eine Dualität zwischen Klarsicht und Blindheit. Das Ziel ,,beherrscht" mich. Ich bin nicht ,,leer", sondern getrieben von meinem Ziel.
Folgender Gedicht von Berthold Brecht zeigt die Legende um die Entstehung des Daode jing:
>>Als er siebzig war und war gebrechlich
Drängte es den Lehrer doch nach Ruh
Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich
Und die Bosheit nahm an Kräften wieder zu.
Und er gürtete den Schuh.
Und er packte ein, was er so brauchte:
Wenig. Doch es wurde dies und das.
So die Pfeife, die er immer abends rauchte
Und das Büchlein, das er immer las.
Weißbrot nach dem Augenmass.
Freute sich des Tals noch einmal und vergaß es
Als er ins Gebirg den Weg einschlug.
Und sein Ochse freute sich des frischen Grases
Kauend, während er den Alten trug.
Denn dem ging es schnell genug.
Doch am vierten Tag der Felsgesteine
Hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt:
"Kostbarkeiten zu verzollen?" - "Keine."
Und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach: "Er hat gelehrt."
Und so war auch das geklärt.
Doch der Mann in einer heitren Regung
Fragte noch: "Hat er was rausgekriegt?"
Sprach der Knabe: "Dass das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den mächtgen Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt."
Dass er nicht das letzte Tageslicht verlöre
Trieb der Knabe nun den Ochsen an
Und die drei verschwanden schon um eine schwarze Föhre
Da kam plötzlich Fahrt in unsern Mann
Und er schrie: "He, du! Halt an!
Was ist das mit diesem Wasser, Alter?"
Hielt der Alte: "Intressiert es dich?"
Sprach der Mann: "Ich bin nur Zollverwalter
Doch wer wen besiegt, das intressiert auch mich.
Wenn du′s weißt, dann sprich!
Schreib mir′s auf! Diktier es diesem Kinde!
So was nimmt man doch nicht mit sich fort.
Dann gibt′s doch Papier bei uns und Tinte
Und ein Nachtmahl gibt es auch: ich wohne dort.
Nun, ist das ein Wort?"
Über seine Schulter sah der Alte
auf den Mann: Flickjoppe. Keine Schuh.
Und die Stirne eine einzige Falte.
Ach, kein Sieger trat da auf ihn zu.
Und er murmelte: "Auch du?"
Eine höfliche Bitte abzuschlagen
War der Alte, wie es schien, zu alt.
Denn er sagte laut: "Die etwas fragen
Die verdienen Antwort."
Sprach der Knabe: "Es wird auch schon kalt."
"Gut, ein kleiner Aufenthalt."
Und von seinem Ochsen stieg der Weise
Sieben Tage schrieben sie zu zweit.
Und der Zöllner brachte Essen (und er fluchte nur noch leise
Mit den Schmugglern in der ganzen Zeit).
Und dann war′s soweit.
Und dem Zöllner händigte der Knabe
Eines Morgens einundachtzig Sprüche ein.
Und mit Dank für eine kleine Reisegabe
Bogen sie um jene Föhre ins Gestein.
Sagt jetzt: kann man höflicher sein?
Aber rühmen wir nicht nur den Weisen
Dessen Name auf dem Buche prangt!
Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen.
Darum sei der Zöllner auch bedankt:
Er hat sie ihm abverlangt.<<
Lao Zi soll weit über achtzig Jahre alt geworden sein und im Alter von etwa siebzig Jahren sein Heimatland verlassen haben. Ein Zollbeamter namens Yinxi hielt Lao Zi am Xianku-Pass auf und erhielt in weiterer Folge das Daode jing.
Zusammenfassend können wir sagen, dass die letzte Wahrheit spontan handelt. Sie handelt ohne das Handeln bzw. Eingreifen des Menschen. Unser dualistisches Denken kann nicht zu ihr vorstoßen. Man kann sie nur erreichen, indem man sie frei handeln lässt. Mit anderen Worten, müssen wir den Zustand der ,,Leerheit" erreichen.
Zhuang Zi und seine Lehre
Neben Lao Zi ist wohl Zhuang Zi als der zweite ,,Gründungsvater" zu nennen. Auch über Zhuang Zi sind wenige Details bekannt. Sicher sind sich die Historiker nur, dass er im 4.Jahrhundert v.Chr. gelebt hat. Ihm ist das gleichnamige Werk - das Zhuang Zi - zugeschrieben, welches neben dem Daode jing als Stiftertext des Taoismus gilt. Genau genommen existiert heute nur mehr die überarbeitete Fassung des Guo Xiang, welcher um 300 n.Chr. den Originaltext leicht abgeändert und verkürzt hat.
Das Zhuang Zi systematisiert und veranschaulicht mehr noch als das Daode jing Themen wie die innere Heiterkeit und die Weltablehnung. Es differenziert sich jedoch in Richtung einer größeren Tendenz zur Verinnerlichung. Das Zhuang Zi beschert uns eine lebendige Beschreibung der Heiligen jener Zeit. Zhuang Zi sieht den Heiligen in ganz anderen Ausmaßen, als Lao Zi dies tut. Der Heilige besitzt eine vollkommene geistige und physische Freiheit. Er durchstreift nicht nur das Universum, er ist eins mit ihm. Er lebt in totaler Einheit mit sich selbst und allen anderen Dingen unseres Kosmos. Er weist eine kosmische Dimension auf. Er ist also kein Herrscher, als den ihn Lao Zi sieht.
Ein weiteres wesentliches Element im 33 Kapitel umfassenden Zhuang Zi ist die Postulierung zweier Prinzipien - Qi und Jing (Essenz).
Eingangstor zum Tempel der Weißen Wolke, einem taoistischen Tempel aus dem 16. Jahrhundert in Peking.
Zhuang Zi war der erste welcher das Leben als reine Verdichtung des Qi ansah. ,,Zerstreue sich das Qi, so würde man sterben". Jing war für Zhuang Zi die ,,Grundlage des Körpers". Wir sehen also, dass Zhuang Zi das Gedankenexperiment von Lao Zi nicht nur ausgeweitet, sondern auch systematisiert hat.
Wei und Wu Wei
Wei (Handeln) und Wu Wei (Nicht handeln) sind zentrale Begriffe in der Philosophie Lao Zis. Auch Kong Zi verwendete den Begriff des Wu Wei, jedoch nur in folgenden Zusammenhang: "War es nicht (der Kaiser) Shun, der nicht handelte (wu-wei) und dennoch gut regierte? Was tat er? Er korrigierte sich selbst und nahm die ihm gemäße Stellung als Herrscher ein": In welchen Kontext Kong Zi seine Worte wählte werde ich gleich erläutern. Vorab ist es wichtig zu wissen, dass zwischen dem Taoismus und dem Konfuzianismus eine gewisse Feindschaft bestand. Nehmen wir hier ein Zitat des Großhistoriographen Si-ma Qian zur Hilfe, welcher berichtete:" Die Lao Zi-Schule unserer Zeit bekämpft die Konfuzianer und die Konfuzianer bekämpfen auch Lao Zi. Weil ihr Tao nicht dasselbe ist, stimmen sie nicht überein." Lao Zi hat Kong Zi so gut wie in allem widersprochen.
Wu Wei
Betrachten wir jetzt näher das Prinzip des Wu Wei. Wir finden folgenden interessanten Satz im Daode jing: "Das Tao tut nichts, und doch bleibt nichts ungetan". Im Einklang mit dem Tao zu handeln, ist deshalb gleichzusetzen mit im Einklang mit der Natur (auch mit der menschlichen Natur) zu handeln;
den Dingen und der Natur ihren Lauf zu lassen. Wir sehen also, dass ,,Wu Wei" keineswegs die Aufforderung zum Gar-Nichtstun ist.
Es ist vielmehr die Anweisung nur der menschlichen Natur nach zu handeln. Erst wenn alles seinen eigenen Weg gehen kann, herrscht Harmonie im Universum.
So wie Kong Zi das Wu Wei im politischen Kontext benutzt hat (siehe oben), hat auch Lao Zi eine politische Dimension daraus abgeleitet. Dazu steht geschrieben: "Ich handle nicht, und das Volk wandelt sich. Ich freue mich der Stille, und das Volk wird gerecht. Ich brauche keine Gewalt, und das Volk wird reich. Ich habe keine Begierde, und das Volk wird einfach."
Oder weiters: "Je mehr Einschränkungen und Verbote es im Reich gibt, desto ärmer wird das Volk. Je mehr scharfe Geräte die Leute haben, desto mehr Verwirrung ist im Land. Je mehr Kunst und Schlauheit die Leute haben, desto mehr frivole Dinge werden hergestellt. Je mehr Gesetze und Vorschriften erlassen werden, desto mehr Räuber und Diebe gibt es"
Es ist also leicht nachzuvollziehen, was uns Lao Zi mit seinen Texten sagen wollte. Ein guter, weiser Herrscher versucht nicht sein Volk zu lenken. Er herrscht also gemäß der Lehre des Wu Wei, des Nicht-Handelns.
Fünf Scheffel Reis und die Himmelsmeister
Das 2.Jahrhundert n.Chr. ist als Beginn eines kollektiv auftretenden Taoismus zu sehen. Der Taoismus nimmt zu dieser Zeit erstmals eine organisierte Form an. Zwei unterschiedlich Bewegungen , die der ,,Fünf Scheffel Reis" und der ,,Gelben Turbane", traten erstmals in Erscheinung. Die Anhänger der ,,Gelben Turbane" glaubten an den ,,Gelben Gott" und erhofften sich ein neues Zeitalter, welches zur Herrschaft eines ,,Gelben Himmels" führen sollte. Gelb gilt als die Farbe der Wandlungsphase Erde.
Dieses neue Zeitalter sollte den Menschen Frieden, Harmonie und Freiheit bescheren. Dieses utopische Gedankenkonstrukt lehnte sich an ein im Osten gelegenes Staatswesen mit dem Namen Da Qin an. Gemeint war das Römische Reich. Der Bewegung der ,,Gelben Turbane" war nur ein sehr kurzes Leben vorbestimmt. Die Taoisten lehnten ihre Lehren ab und so kam es, dass sie von den Han zerschlagen wurden.
Auch die Anhänger der ,,Fünf Scheffel Reis"- Lehre strebten nach einem idealisierten Staatswesen. Bei zeremoniellen Veranstaltungen hatte jeder Gläubige fünf Scheffel Reis entrichten müssen, daher der Name dieser Bewegung. Auch sie erhofften sich ein neues goldenes Zeitalter. Es gelang ihnen gar für einige Jahrzehnte ein kleines taoistisches Staatswesen zu gründen. Der Gründer war ein kleiner Grundbesitzer namens Zhang Daoling. Ihm war im Jahre 142 n.Chr. Lao Zi erschienen, der ihn mit der "Vertragsheiligkeit der Gradheit und Einheit" begabte, wodurch er in die Lage versetzt wurde, mit den zahlreichen Geistern der Welt Verträge zu schließen.
Eine wesentliche Rolle in den Lehren dieser Organisation spielte das ,,Saat-Volk", ein Volk von Auserwählten. Das Oberhaupt eines solchen Volkes war der sogenannte Himmelsmeister (tianshi). Dieser war ein irdischer Vertreter des Gottes Laojun. Zhang Daoling predigte, dass alle Krankheiten von Geistern als Vergeltung böser Taten geschickt werden. Diese könnten aber in Form einer priesterlichen Zeremonie von einem genommen werden.
Im Jahr 215 n.Chr., also am Ende der späten Han-Dynastie (25 - 220 n.Chr.), gelang es dem großen Han-General Ts′ao Ts′ao den ,,Fünf Scheffel Reis"- Taoismus zu befrieden.
Der Shangqing Taoismus
Die Bewegung des Shangqing (Höchste Reinheit) setzte am Ende des 4.Jahrhunderts n.Chr. die taoistische Tradition in China fort. Es war nun erstmals der Fall, dass innerhalb des Taoismus Anleihen beim Buddhismus gemacht wurden. Der Shangqing Taoismus vereinte Strukturen bestimmter Lokalkulte, Traditionen der Himmelsmeister sowie einige Aspekte der Lehren des berühmten Taoisten Ge Hong, welcher ein Gegenpol zur Philosophie der Himmelsmeister bildete. Weiters bekam der visuelle Aspekt der Meditation eine Vormachtstellung gegenüber den Techniken der Unsterblichkeit, die den Taoismus Jahrhunderte lang geprägt hatten.
Die Philosophie der Shangqing Bewegung stützte sich auf eine Sammlung von Schriften, welche einem Taoisten namens Yang Xi von den Göttern offenbart wurde. Der Shangqing Taoismus setzte vermehrt auf Mythen und Fabeln. Der taoistische Pantheon war ebenso einer Veränderung unterworfen. Es war die erste taoistische Bewegung, die eine Anzahl echter Hymnen an die Gottheiten hervorbrachten. Auch die Rolle der Heiligen wurde wieder in den Vordergrund gerückt. Es gab weiters eine fixe Regelung, bezüglich der Meditationspraktiken, welche wie schon erwähnt ausgeweitet wurden.
Nehmen wir das Beispiel der Suche nach ewigen Leben. Wir können den Schlüssel zur Unsterblichkeit nicht finden, wenn wir aufbrechen, in die Welt hinausziehen und Ausschau halten. Die Meditation ist des Rätsels Lösung wie wir aus folgenden Passus einer Schrift der Shangqing Bewegung erkennen können: "Unsterblichkeit wird mit dem Herzen erlernt; ist das Herz aufrichtig, so erlangt man den Weg zur Unsterblichkeit; der Weg zur Unsterblichkeit ist eine innere Suche; zieht man sich ins Innere zurück, so wird das Tao herbeikommen."
Ein wichtiges Merkmal ist weiters die Meister-Schüler-Beziehung. Bislang war es der Fall, dass der Lehrer den Adepten unterrichtete und leitete. Doch nun bestand die Rolle des Meisters darin, die heiligen Schriften zu überliefern, denn diese stellten den ,,wahren Lehrer" eines Schülers dar.
Der wichtigste Text der Shangqing, welcher zu einem der Hauptwerke des Taoismus avancierte, ist das Dadong zhenjing, der ,,Wahrhafte Klassiker des großen Dong".
Wir sehen also, dass der Taoismus im Laufe der Zeit immer mehr verfeinert und systematisiert wurde. Was anfangs eine gespaltene Lehre war, veränderte sich in Jahrhunderten zu einer sich immer in Bewegung befindlichen Religion.
Der Taoismus im heutigen China
Mit der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949, unter der politischen Führung der kommunistischen Partei, kam es infolge zu zahlreichen Verboten taoistischer Aktivitäten. Beispielsweise wurden die heilkundlichen Tätigkeiten der Taoisten als unwissenschaftlich abgetan. Es kam zur Zerstörung und Zweckentfremdung von Tempelanlagen und Klöstern.
Erst mit dem Ende der Kulturrevolution 1976 gab es wieder einen Aufschwung zugunsten des Taoismus. Es kam sozusagen zu einer Wiederbelebung taoistischer Praktiken. Vor allem die ,,Chinesische Taoistische Vereinigung", welche bis heute als ein Schulungszentrum für Taoisten fungiert, hatte großen Anteil an der Modernisierung des Taoismus. Offiziell dürfen bis heute die religiösen Aktivitäten nur innerhalb der Tempelanlagen stattfinden. Trotzdem liegt es auf der Hand, dass die Gläubigen auch außerhalb der Klostermauern Seelenbeistand brauchen und dieser ihnen auch gewährt wird.
Seit dem Ende der Kulturrevolution gab es weiters ein beträchtliches Interesse an taoistischer Fachliteratur und wissenschaftlichen Abhandlungen. Man strebte danach das chinesische Kulturerbe zu bewahren.
Bis heute nimmt der Taoismus einen wichtigen Platz in der chinesischen Gesellschaft ein. Auch weit außerhalb der Grenzen Chinas trifft man auf taoistisches Gedankengut. Wir sehen also, dass der Taoismus weiterhin einen enormen Stellenwert in der chinesischen Kultur besitzt.
Auszüge aus dem Daode jing
1: Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Unergründlichen
Das Unergründliche, das man ergründen kann, ist nicht das unergründbar Letzte.
Der Begriff, durch den man begreifen kann, zeugt nicht vom Unbegreiflichen.
Im Unbegreiflichen liegt der Welt Beginn, nennbar wird nur, was Gestalt gewinnt. Daher gilt: Das Wesen erschaut, wer wunschlos zum Herzen der Dinge strebt;
Gestalten nur sieht, wer begehrlich am Sinnlichen klebt.
Wesen und Gestalt sind nur begrifflich gespalten, geheimnisvoll bleibt ihrer Einheit Grund. Diese Einheit ist das Geheimnis der Geheimnisse, zu allem Unergründlichen erst das Tor.
8: Sichfügen - das Geheimnis echten Lebens
Echtes Leben gleicht dem Wasser.
Still fügt es sich dem Grund, den Menschen verachten,
gütig und selbstlos allem dienend,
dem unergründlichen Urquell gleichend.
Echtes Leben ist: Anspruchslos nach außen und wunschlos nach innen;
hingebend im Dienen und wahrhaftig im Reden;
ordnend im Führen und leistungsstark im Wirken;
gelassen im Tun. Gütig sich fügend, ist es unantastbar.
33: Echtes Gebildetsein überwindet den Tod
Klug ist der, der andere durchschaut, weise, wer sich selbst durchschaut.
Kraft beweist, wer andre zwingt, Art jedoch, wer sich selbst bezwingt.
Willen hat, wer Herr seines Tuns ist, Reichtum aber, wer zufrieden bleibt.
Standhaft ist, wer an seinem Platz verharrt, wahrhaft lebt, wer im Tod besteht
47: Der Weg zur Menschen- und Welterkenntnis
Um die Welt zu erkennen, brauch′ ich nicht in sie zu gehen.
Das Geheimnis der Welt kann ich erschauen, ohne aus dem Fenster zu sehen.
Je weiter einer in die Ferne schweift, um so geringer wird sein Erkennen.
Der Waise kommt zu seiner Erkenntnis ohne Wissensdrang;
er kommt an sein Ziel ohne Anstrengung;
er vollendet seinen Weg mühelos.
77: Selbstloses Tun schafft echten Ausgleich
Des Himmels Wirken gleicht dem Spannen des Bogens: es macht das Hohe niedrig und das Niedrige hoch; es nimmt, wo zuviel ist, fügt hinzu, wo zu wenig ist.
Immer ist des Himmels Wirken so: Er nimmt aus der Fülle und gibt sich der Leere.
Menschen handeln anders: sie nehmen, wo schon wenig ist, und fügen hinzu, wo schon viel ist. Wer im Unergründlichen gründet, schenkt der Gemeinschaft aus seiner Fülle. Daher wirkt der Waise, ohne etwas für sich zu beanspruchen, und ohne an seinem Werk zu haften. Er will nichts sein und nichts haben.
hans-wolfgang - am Dienstag, 24. August 2004, 23:53
Skeptiker (Gast) meinte am 9. Jan, 03:33:
Das ist mies!!!
Hallo Hans-Wolfgang, Verfasser eines guten Textes über Taoismus - oder doch nicht?Wenn Du schon einen kompletten Text kopierst, dann verwende doch wenigstens einen Quellenhinweis.
Nein, Du setzt sogar deinen Namen drunter.
Das ist das allerletzte!!!!
hans-wolfgang antwortete am 9. Jan, 21:42:
das Denken kann nur da sein, wenn du ernsthaft bist
Wenn du spielerisch im Leben bist, dann kannst du auch in dir spielerisch mit dem Denken sein. Dann sei, als wenn du etwas auf einem TV-Bildschirm betrachtest: Du bist nicht involviert, du bist bloß ein Zuschauer, ein Betrachter. Schau hin und freu dich dran! Sage nicht gut, sage nicht schlecht, verurteile nicht, belobige nicht, denn das sind seriöse Dinge. Wenn du spielerisch mit deinem Denken sein kannst, wird es sehr bald aufgeben, denn das Denken kann nur da sein, wenn du ernsthaft bist. Ernsthaftigkeit ist die Verbindung, die Brücke.